Ist die Analogie als juristische Methode überflüssig?

Man unterscheidet bekanntlich Gesetzesanalogie und Rechtsanalogie. Mit der Gesetzesanalogie werden bestimmte einzelne Regelungen auf einen ähnlichen Fall übertragen. Bei der Rechtsanalogie wird zunächst aus einer Mehrzahl vorhandener Vorschriften ein Prinzip herauspräpariert und dieses sodann auf den von den Ausgangsbestimmungen nicht erfassten Fall erstreckt. Paradebeispiel der Rechtsanalogie ist die Ableitung der allgemeinen Unterlassungsklage aus den §§ 12, 862, 1004 BGB. Es handelt sich dabei um eine normative Induktion. Das las man schon bei Enneccerus-Nipperdey.[1]

Eine deontische Logik scheitert bekanntlich nicht an Jörgensens Dilemma.[2] Die Subsumtion ist als Deduktion gültig, da sie als erste Prämisse einen Normsatz verwendet und damit einen Fehlschluss vom Sein aufs Sollen vermeidet. Entsprechendes – ich bin versucht zu sagen, Analoges – gilt auch für die normative Induktion, da hier aus singulären Normsätzen ein allgemeinerer Normsatz gefolgert wird. Die Rechtsanalogie läuft auf Rechtsgewinnung durch systematische Auslegung hinaus – und ist damit als spezifische juristische Methode überflüssig.

Die Gesetzesanalogie geht davon aus, dass zwei Fälle ungleich, aber ähnlich sind und deshalb die Rechtsfolgen von Fall A auf Fall B übertragen werden können oder müssen. Wie entdecken Juristen die Ähnlichkeit zwischen den vom Gesetz ungleich behandelten Fällen? Die Strukturmerkmale für die Feststellung der Ungleichheit sind im gesetzlichen Tatbestand »enkodiert«. Die Ähnlichkeit wird daraus erschlossen, dass die ungleichen Fälle jedenfalls in einigen Tatbestandsmerkmalen übereinstimmen oder dass mehrere Tatbestandsmerkmale phänomeno­logisch dem Vergleichsfall ähnlich sind. Die Rechtfertigung des Analogie­schlusses folgt dann aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 I GG. Als Vermittlungselement dienen der (Schutz-)Zweck des Gesetzes und als dessen Kehrseite die gleichartige Interessenlage.

Fall A: Fall B ≈ Schutzzweck: Interessenlage

In dem Vergleichszeichen ≈ steckt der Gleichheitssatz. Das ist Pseudologik, die nicht weiterhilft. Sie legt aber den Gedanken nahe, dass auch die Gesetzesanalogie als spezifische Methode überflüssig sei. An ihrer Stelle kann man direkt auf das allgemeine Gleichbehandlungsgebot zurückgreifen. Die Schwachstelle der Analogie, das heißt die Stelle, an der das entscheidende Werturteil gefällt werden muss, ist die Feststellung der (relevanten) Ähnlichkeit. Hier wird entschieden, dass die ungleichen Fälle in einem »höheren« Sinne gleich sind. Es wird ein Strukturmerkmal hinzugefügt, durch das die ungleichen Kandidaten in eine höhere Gattung aufrücken und insoweit gleich werden. Das BVerfG hat 1979 den nur für alleinstehende Frauen mit eigenem Haushalt gewährten Hausarbeitstag für unvereinbar mit Art. 3 II GG erklärt, weil die Regelung gegen die Gleichberechtigung von Mann und Frau verstieß.[3] Ohne die speziellen Vorschriften des Art. 3 II 1 und III hätte man auch mit einer Analogie arbeiten können, und tatsächlich argumentiert das Gericht, als ob die Gewährung eines Hausarbeitstages für Männer aus einer Analogie abzuleiten sei. Das zeigt: Für die Analogie ist mindestens dort kein Platz, wo spezielle Gleichbehandlungsregeln greifen.

Man zögert für einen Augenblick, die Gesetzesanalogie mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG ganz abzulösen. Die Hürde kommt vermutlich daher, dass man den Gleichheitssatz in der Regel als Waffe gegen diskriminierende Beschränkungen von Individuen im Blick hat. Art. 3 GG steht im Grundrechtsteil der Verfassung und wird für die Durchsetzung von Grund- und Bürgerrechten in Anspruch genommen. Die Probleme, die mit der Gesetzesanalogie gelöst werden, sind jedoch meist sehr viel trivialer. Die Suche nach »Analogie« in der Rechtsprechungsdatenbank JURIS ergab am 10. 3. 2022 27.553 Treffer. Da geht es etwa um die Gewerbesteuerbefreiung ambulanter Pflegedienste oder um die Anrechnung ehrenamtlicher Tätigkeiten auf die Beitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung. Da beruft sich niemand auf Art. 3 GG. Doch die Anwendung des Gleichheitssatzes funktioniert genau wie eine Analogie. Stets geht es darum, Objekte, die an sich verschieden sind, unter einem bestimmten Gesichtspunkt als gleich oder ungleich zu vergleichen.[4] Man stellt also zunächst Ungleichheit fest und sucht dann nach Ähnlichkeiten, um am Ende die Ungleichheit durch Ähnlichkeit zu überwinden.

»Treating relevantly similar cases similarly is a fundamental aspect of rationality. Any application of a general principle or rule—whether in logic, morality, law, or administration—requires that we have a sense of which cases are relevantly similar and merit similar treatment.«[5]

Ein Zitat aus einer sprachwissenschaftlichen Arbeit zur Analogieforschung legt den Gedanken, nahe, dass die Analogie der große Gleichmacher sein könnte:

»Die sprachwissenschaftlichen Definitionen der Analogie stimmen darin überein, daß sie als Tendenz (Ausgleichungstrieb) zwischen zwei begrifflich assoziierten Wörtern (semantische A.) oder einander entsprechenden Wortformen (formale A.) wirksam sei und auf eine lautliche Annäherung (Uniformierung) abziele.«.[6]

Der Gedanke beruht zwar auf einem Kurzschluss, ausgelöst durch das Stichwort »Uniformierung«, lässt sich aber doch nicht einfach von der Hand weisen.

Die Analogie, wie sie hier erörtert wurde, ist anderes und mehr als Nachahmung, nämlich ein gedanklicher Prozess, an dessen Ende etwas Neues steht. Was Analogie als Nachahmung von der Analogie als produktivem Argument unterscheidet und was beide verbindet, wäre ein Thema für sich. Immerhin geht es in beiden Fällen um Ähnlichkeit, und de facto führt auch Nachahmung selten oder nie zu einer bloßen Kopie. Indessen führt das Zitat in die Irre, wenn man nicht bedenkt, dass die antiken Grammatiker ἀναλογία zusammen mit ἀνωμαλία als Gegenbegriff verwendeten, um so zu erklären, dass Wortbedeutung und sprachliche Formen oft uneinheitlich verwendet werden. So galt die korrekte Verwendung einer Vokabel oder einer Flexionsform als analog, die abweichende dagegen als anomal. In der Kontroverse der alten Grammatiker um Analogie und Anomalie[7] stand Analogie also für Uniformität im Sinne eines einheitlichen Sprachgebrauchs.

Der Gleichheitssatz des Art. 3 GG ruft jedermann auf, Ungleichheiten zu konstatieren, um sodann nach Ähnlichkeiten zu suchen, so dass im Ergebnis Ungleiches gleich behandelt werden kann. Wo  immer Menschen einen anderen als Träger von Rechten wahrnehmen, die ihnen selbst versagt sind, mögen die Rollen, an welche die Berechtigung geknüpft ist, noch so verschieden sein, lässt sich stets behaupten, dass die Beteiligten jedenfalls als Menschen gleich sind und die Situation mithin trotz unterschiedlicher Rollen so ähnlich ist, dass Gleichbehandlung geboten sei. Damit erweist sich die Analogie im Recht am Ende doch als Gleichmacher.

Was folgt aus alledem für die Jurisprudenz? Wenig, was man dort nicht schon wusste. Aber der Ausflug in die Interdisziplinarität war interessant, ähnlich wie ein Museumsbesuch.


[1] Ludwig Enneccerus/Hans Carl Nipperdey, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, 1. Band: Allgemeine Lehren, Personen, Rechtsobjekte, 14. Aufl., 1952, S. 210.

[2] Pavel Holländer, Rechtsnorm, Logik und Wahrheitswerte. Versuch einer kritischen Lösung des Jörgensenschen Dilemmas, 1993; Jörgen Jörgensen, Imperatives and Logic, Erkenntnis 7, 1937/38, 288-296.

[3] Beschluss vom 13. November 1979 1 BvR 631/78, BVerfGE 52, 369.

[4] Konrad Hesse, Der Gleichheitsgrundsatz im Staatsrecht, AöR NF 38 , 1951/52, 167-224, S. 172.

[5] Trudy Govier, A Practical Study of Argument, 7. Aufl. 2014, S. 320..

[6] So zitiert Karl-Heinz Best, Probleme der Analogieforschung, 1973, gleich eingangs (in kritischer Absicht) aus dem  Sprachwissenschaftlichen Wörterbuch von Johann Knobloch (1961ff, S. 111f).

[7] Vgl. Karl-Heinz Best, Probleme der Analogieforschung, 1973, S.  13ff.

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Analogie, Casus und Regula

Wenn der eingangs zitierte Levi und viele andere das Fallrecht des Common Law als institutionalisierte Analogiebildung erklären, so rufen sie damit die alte Frage nach dem Verhältnis von casus und regula[1] in Erinnerung. Vom Fallrecht des klassischen Rom unterscheidet sich das Common Law dadurch, dass es explizit Präjudizien als verbindlich deklariert. Für das Common Law ist umstritten, ob die Präjudizienbindung durch Analogie oder durch die Übernahme einer im Präjudiz implizit enthaltenen Regel realisiert wird. Anhänger der Regeltheorie[2] nehmen an, dass man einem Präjudiz nur dadurch folgen kann, dass man die ratio decidendi, das holding des Präzedenzfalles, zur Regel abstrahiert und auf den neuen Fall anwendet. Die Analogiker dagegen sehen in der Anwendung eines Präjudizes die unmittelbare Übernahme der Rechtsfolge in einem hinreichend ähnlichen Fall.

Hier noch einmal das Levi-Zitat:

»The basic pattern of legal reasoning is reasoning by example. It is reasoning from case to case. It is a three-step process described by the doctrine of precedent in which a proposition descriptive of the first case is made into a rule of law and then applied to a next similar situation. The steps are these: similarity is seen between cases; next the rule of law inherent in the first case is announced; then the rule of law is made applicable to the second case.« (An Introduction to Legal Reasoning, University of Chicago Law Review 15, 1948, 501-574, S. 501f.)

Sieht man genauer hin, ist die Formulierung ambivalent. Einerseits wird dem Präjudiz eine Regel entnommen, die auf den neuen Fall angewendet wird. Andererseits ist der neue Fall ein »ähnlicher« Fall. Auf Ähnlichkeit kommt es aber nicht mehr an, wenn man eine Regel hat. So ist denn heftig umstritten, ob die Präjudizienbindung nur durch Fallvergleich oder durch die Übernahme einer im Präjudiz implizit enthaltenen Regel realisiert wird. Anhänger der Regeltheorie nehmen an, dass man einem Präjudiz nur dadurch folgen kann, dass man die ratio decidendi, das holding des Präzedenzfalles, zur Regel = Rechtsnorm abstrahiert und auf den neuen Fall anwendet. Mit einer Formulierung von Robert Alexy:

»Die Verwertung eines Präjudizes bedeutet die Verwertung der der präjudiziellen Entscheidung zugrunde liegenden Norm.« [3]

Das ist der Standpunkt der Analogieskeptiker, die keine reine oder originäre Analogie akzeptieren.

Die traditionelle Auffassung geht jedoch dahin, dass ein unmittelbarer Fallvergleich grundsätzlich möglich ist. Prüfstein ist das »nackte« Urteil, das heißt ein Urteil nur mit Tatbestand ohne Begründung. Auch ein »nacktes« Urteil taugt zum Präjudiz. Urteilsgründe braucht man nur, wenn der aktuelle und der Altfall nicht gleich erscheinen. Dann liegt es ähnlich wie bei einem Gesetz, dass sich von seinem Wortlaut her nicht zweifelsfrei anwenden lässt. Dann muss das Gesetz ausgelegt und analog muss das Präjudiz interpretiert werden. Es kommt also darauf an, ob die Fälle gleich oder nur ähnlich sind. Der Analogieskeptiker wird geltend machen: Schlechthin gleiche Fälle gibt es nicht. Keine zwei Objekte sind völlig gleich und ebenso wenig weisen zwei Objekte gar keine Ähnlichkeit auf. Er schließt daraus, dass die Unterscheidung zwischen Gleichheit und Ähnlichkeit beliebig sei und die Analogie als selbständige Argumentation entsprechend wertlos. Analogiker wie z. B. Weinreb erwidern: Die Fähigkeit, Muster zu erkennen, und so zwischen passend und unpassend, gleich und ungleich zu unterscheiden, ist schon bei allen Wirbeltieren vorhanden.  Auch beim Menschen ist die Fähigkeit zur Mustererkennung eine angeborene Kompetenz. Sie wird an unendlich vielen Beispielen trainiert und befähigt zur Unterscheidung von gleich, ähnlich und verschieden. Psychologen sprechen vom mappping der zu vergleichenden Situationen. Dem mapping entspricht der Fallvergleich der Jurisprudenz.

Der Fallvergleich ist eine wie selbstverständlich geübte juristische Praxis, die allerdings methodisch wenig reflektiert wird. Daher sei hier noch einmal an die Kontroverse zwischen Fritjof Haft und Arthur Kaufmann erinnert. Für Haft war der Fallvergleich »die zentrale juristische Operation«.[4] Er wandte sich gegen die »Grundvorstellung, daß es dem Rechtsanwender vorgegebene Rechtsideen gebe, und daß diese in abstrakten Begriffen festgehalten werden könnten. … [Denn] Die Gerechtigkeit ist eine Sache des Einzelfalles. Der Einzelfall wird nicht an vorgegebenen Ideen gemessen. Er trägt die richtige Lösung allein in sich« (S. 156f). Über eine »bewußt gestaltete Vergleichsfalltechnik« erfährt man von Haft freilich nicht viel mehr, als dass es sich um »rhetorisches Problem« handelt (S. 160). Auch Arthur Kaufmann sah im Fallvergleich den zentralen Akt der Rechtsgewinnung, nämlich »die Gleichsetzung des zu entscheidenden Falles mit solchen Fällen, die der einschlägigen Norm sicher unterfallen, also eine Analogie«.[5] Der Fallvergleich erfolge im Lichte einer durch Abduktion gewonnenen Normhypothese. Kaufmann wandte sich damit ausdrücklich gegen die Auffassung von Haft, dass ein Fallvergleich ohne Norm oder Regel möglich sei, die als tertium comparationis dient.

Indessen verdient weder die Position Hafts noch diejenige Kaufmanns Zustimmung. Hafts Regelnihilismus ist nicht akzeptabel. Ohne Abstraktionen könnten wir uns nicht durch die Welt bewegen. Es geht immer nur um den Grad der Verallgemeinerung. Kaufmann stützte sich auf einen ungewöhnlich engen Subsumtionsbegriff, so dass er praktisch nicht mehr zwischen gleich und ähnlich, Subsumtion und Analogie unterscheiden konnte. Als subsumierbar unter ein Gesetz akzeptierte Kaufmann nur Zahlbegriffe. Jede andere Anwendung einer Regel fordert nach seiner Auflassung eine »Gleichsetzung«, die er als Analogie einordnete (S. 25). Subsumtion war für Kaufmann gleichbedeutend mit Deduktion. Damit verwendete er den Subsumtionsbegriff in dem engen Sinne, der in der formalen Logik maßgeblich ist. Juristen nutzen den Subsumtionsbegriff aber meistens in einem weiteren Sinne, der eine »kleine« Auslegung einschließt. Kaufmanns enger Subsumtionsbegriff hat einen (zu) weiten Analogiebegriff zur Folge, der die Realität der Musterkennung durch menschliche und künstliche Intelligenz verfehlt. Kognitive Neuroinformatik ist heute imstande, auch komplexe Verkehrssituationen eindeutig zu identifizieren.

Die Differenz zwischen Haft und Kaufmann verschwindet, wenn man den juristischen Begriff der Subsumtion als Kategorisierung im Sinne der kognitiven Psychologie versteht und zwischen gelingender und zweifelhafter Kategorisierung unterscheidet. Auch ohne (externen) Vergleichsmaßstab kann man feststellen, dass zwei Objekte gleich sind. Wäre es anders, gäbe es keine Kategorisierung und damit keine Begriffsbildung. Wenn die Objekte verschieden sind, kann man immer noch Ähnlichkeit konstatieren, wenn einzelne Merkmale übereinstimmen. Die Kategorie als kognitives (internes) Muster ist wohl Vergleichsmaßstab, aber noch keine (Rechts-)Norm. Erst wenn es darum geht, zwei Fälle trotz Verschiedenheit als ähnlich gleichzusetzen, braucht man einen weiteren Vergleichsmaßstab. Dann geht es nicht mehr um Ähnlichkeit an sich (ontische oder phänomenale Ähnlichkeit), sondern um relevante Ähnlichkeit.

Die juristischen Kategorien für Gleichheit liefern die Tatbestandmerkmale einer Norm. Wenn die Kategorisierung = Subsumtion misslingt, weil nicht alle, sondern nur einige Tatbestandsmerkmale erfüllt sind, geht es nicht länger um Gleichheit, sondern um Gleichsetzung aufgrund von Ähnlichkeit. Die Ungleichsetzung entspricht dem distinguishing im Common Law. Black’s Law Dictionary (5. Aufl. 1979, S. 425) definiert: »To point out an essential difference.« Für Scott Brewer handelt es sich dabei um eine umgekehrte Analogie (disanalogy[6]).

Regeln müssen mit Gattungsbegriffen ausgedrückt werden, die ebensowenig scharf sind wie die kognitiven Muster des Vergleichens. Nicht nur im Alltag unterscheidet man zwischen gleich, ähnlich und verschieden. Auch künstliche Intelligenz kann Muster als gleich identifizieren und ähnliche herausfiltern. Es lässt sich schwerlich bestreiten, dass wir Personen, Gegenstände oder Örtlichkeiten, die wir einmal wahrgenommen haben, auch ohne Anlass wiedererkennen. Das gilt nicht nur für identische, sondern auch für gleiche Objekte unabhängig davon, ob Alltagsbegriffe oder Fachtermini als Kategorien dienen. Schwieriger als der Vergleich von kompakten Objekten ist der Vergleich von komplexeren Situationen, wie ihn der Fallvergleich fordert, der die Heranziehung eines Präjudizes rechtfertigen soll. Auch »Situationen« können nur mit Hilfe von Begriffen = Kategorien beschrieben werden. Situationen lassen sich verhältnismäßig einfach kategorisieren, wenn man nur auf einzelne perzeptiv prominente Merkmale abstellt, z. B. auf die Beteiligten (Mann, Frau, zwei, viele), auf den Streitgegenstand (Geld, Beziehung, Politik) oder den Orts- und Zeitbezug. Solche Kategorisierung dient im Vorfeld des Gerichtsprozesses für die Zuständigkeitsverteilung. Sie ist nicht von vornherein teleologisch, sondern – wenn man so will – ontologisch. Sie könnte auch für statistische Zwecke genutzt werden oder für die Zusammenstellung einer Stichprobe in der Sozialforschung. Aber singuläre Merkmale machen noch keinen »Fall«. Wenn es um den Tatbestand eines Präjudizes geht, wird es insofern schwierig, als der Fall keine schlechthin objektive Einheit bildet. Was als Fall definiert wird, ist ein interessengeleiteter Ausschnitt aus der Welt. In juristischem Zusammenhang erhält der Fall seine Konturen aus vorhandenen oder gewünschten Regeln, aus Urteilstatbeständen und Klagevorbringen. Immerhin ist der Altfall ist abgeschlossen. Man darf nicht mehr nach Umständen fragen, die dem Erstgericht nicht bekannt waren. Dagegen ist der neue Fall noch offen. Man kann immer noch nach ergänzenden Tatbestandselementen suchen, die einen Unterschied machen. Dennoch bleibt ein vorjuristischer, sozusagen ontologischer Fallvergleich möglich. Die Jurisprudenz würde auf ein wichtiges Element ihrer Urteilskraft verzichten, wenn sie sich nicht zutraute, zwischen Gleichheit, Ähnlichkeit und Verschiedenheit zu differenzieren.

Es geht um die Frage, ob ein Gleichheitsurteil möglich ist, ohne dass man den Sinn und Zweck einer Regel bemühen muss. Unser Alltagsrealismus spricht für eine positive Antwort, ist aber wenig beweiskräftig, auch wenn die Epistemologie unter Berufung auf so prominente Autoren wie W. V. Quine einen naturalized turn verzeichnet (o. XXX). Zum Alltagsrealismus tritt der professionell geschulte Realitätssinn hinzu. Dem kann man, wie Brożek[7] und Schauer (S. 88)[8] von vornherein mit Skepsis begegnen. Doch wer mit dem Recht nicht grundsätzlich auf Kritikfuß lebt, wird die Herausbildung von professionellen kognitiven Mustern nicht als Defizit, sondern (mit Weinreb[9]) als Gewinn verbuchen.

»… the choice of which analogy to prefer is not like the flip of a coin. Just as her common sense, the accumulation of ordinary experience, tells Edna that it makes no difference how much cranberry juice costs or whether it is imported, a lawyer or judge relies on his knowledge and experience of law. The greater his experience in the particular area of law, the more likely is it that the analogy he chooses will be convincing to others (just like Edna’s advice [der darin bestand, sie solle den roten Saftflecken mit dem gleichen Mittel bekämpfen wie einen Rotweinflecken], to Mary would be more convincing if Edna had a degree in food chemistry). The choice is informed also by a broad understanding of what is relevant to the sort of decision being made – a matter of liability (Adams) or regulation or business or individual rights – and broader still, what generally ›counts‹ in law.«

Juristische Expertise bietet keine Garantie, aber eine gute Chance, sich bei Vergleichen (beim mapping oder distinguishing) auch Charakteristisches und Relevantes zu konzentrieren und Neben­säch­liches und Gleichgültiges auszuschalten. Es hilft, sich an die Relationstechnik (Gutachtentechnik) zu erinnern, die der Referendar in der Zivilstation beim Landgericht lernt. Dafür ist ein Tatbestand anzufertigen, der alle potenziell rechtlich relevanten Umstände aufführt, aber auch nur diese. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob die Umstände am Ende entscheidungsrelevant sind. Meist fällt es nicht schwer, eine Vielzahl von Umständen für irrelevant zu befinden. Ob der Kläger vor dem Vertragsschluss Rührei oder Müsli gefrühstückt hat ist dann ebenso unerheblich wie seine Haarfarbe.

In vielen Fällen liegt das Gleichheitsurteil auf der Hand. Wurde dem Käufer eines Audi mit Dieselmotor des Baujahrs 2008 Schadensersatz zugebilligt, weil der Motor des Typs EA189 mit einer so genannten Schummel-Software ausgerüstet war, so liegt der Fall des Käufers eines anderen Audi mit diesem Motor, der nunmehr seinerseits Ersatz fordert, gleich. Für das Gleichheitsurteil bedarf es keiner Regel, wiewohl man eine Regel formulieren könnte, die gleiche Fälle dieser Art, und nur diese erfasst. Die Begriffe dieser Regel wären vollständig konstituiert durch ihre frühere Anwendung. In dieser Regel erschöpft sich das holding des Präjudizes.

So klar ist das Gleichheitsurteil nicht immer, aber auch nicht ganz selten. Es gibt viele Standardsituationen. Eine Abtreibung ist eine Abtreibung, ist eine Abtreibung. Es gibt nur eine begrenzte Anzahl von Variationen (früh – spät, nach Vergewaltigung, Gesundheitsgefahr für die Mutter, Wahrscheinlichkeit eines kranken Kindes).

Fällt die Kategorisierung von Fällen als gleich »analog« zur Kategorisierung qua Subsumtion zweifelhaft aus, dann allerdings muss ein weiterer Vergleichsmaßstab her. Aber da hilft keine einzelne Regel. Eine Regel deckt entweder nur den Altfall oder nur den Neufall. Für eine Analogie, welche ähnliche Fälle gleichstellt, benötigt man eine Norm, die beide Fälle einschließt. Erst eine weiter gefasste Norm kann herangezogen werden, um die verschiedenen Fälle als hinreichend ähnlich gleichzusetzen. Es stehen also drei Regeln zur Wahl. Dann gilt es zu begründen, welche Regel den Vorzug verdient. Zur Begründung einer Regel dienen in erster Linie ihr Zweck und als Kehrseite ihre Folgen. Damit setzt ein Wechselspiel von Fallvergleich, Regelbildung und Begründung ein. Das nackte holding ist ein theoretischer Grenzfall. Man geht davon aus, dass sich die Richter bei ihrem Urteil etwas gedacht haben, und das fließt bei der »hermeneutischen« Rekonstruktion[10] des Präjudizes ein. Die relevante Ähnlichkeit ergibt sich aus der Begründung der Norm. Aber es bleibt dabei, dass auch der unmittelbare (phänomenologische) Fallvergleich die Wahl der Regel mitbestimmt. Fallvergleich und teleologische Überlegungen wirken zusammen.[11] Die bloße Ähnlichkeit der Fälle gibt Anlass, auf den Zweck der im Präjudiz ausgedrückten Regel zurückzugehen, denn der Zweck kann die Gleichsetzung per Analogie stützen, weil er zeigt, welche Ähnlichkeit relevant ist. Auch wenn man nicht so weit geht, wie Fritjof Haft mit der Ansicht, der Einzefall trage die richtige Lösung allein in sich, so weckt doch der Fall eine starke Intuition, die sich nicht ganz unterdrücken lässt.


[1] Dazu 2015 drei Einträge auf Rsozblog.de: Casus und Regula; Die Hellenismuskontroverse; Das Motto des Freirechts: »Non ex regula ius sumatur, sed ex iure quod est regula fiat«.

[2] Zu diesen zählen u. a. Larry Alexander, Constrained by Precedent, Southern California Law Review 63, 1989, 1-64; Larry Alexander/Emily Sherwin, Demystifying Legal Reasoning, 2008; Ronald M. Dworkin, In Praise of Theory, Arizona State Law Journal 29, 1997, 353-376, S. 371: »An analogy is a way of stating a conclusion, not a way of reaching one, and theory must do the real work.«; Melvin Aron Eisenberg, The Nature of the Common Law, 1988, S. 83f: »Reasoning by analogy differs from reasoning from precedent and principle only in form. … Cases are not determined in the common law simply by comparing similarities and differences.«; Neil MacCormick, Legal Reasoning and Legal Theory, 2003 [1978],  S. 161, 186; Richard A. Posner, Overcoming Law, 1995, S. 177, 519f; Kent Greenawalt, Law and Objectivity, 1992, S. 200; Peter Westen, On »Confusing Ideas«: Reply, Yale Law Journal 91, 1982, 153-1165, S. 1163: »One can never declare A to be legally similar to B without first formulating the legal rule of treatment by which they are rendered relevantly identical.«; Frederick F. Schauer, Playing by the Rules, A Philosophical Examination of Rule-Based Decision-Making in Law and Life, 1991; ders., Thinking Like a Lawyer, A New Introduction to Legal Reasoning, 2009 (S. 85ff).

[3] Robert Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, 1978, S. 336.

[4] Fritjof Haft, Falldenken statt Normdenken, Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung (Hg.), Der deutsche Sprachgebrauch, Bd. II, 1981, 153-161, S. 153.

[5] Arthur Kaufmann, Das Verfahren der Rechtsgewinnung – eine rationale Analyse, Deduktion, Induktion, Abduktion, Analogie, Erkenntnis, Dezision, Macht, 1999, S. VI.

[6] Scott Brewer, Exemplary Reasoning: Semantics, Pragmatics, and the Rational Force of Legal Argument by Analogy, Harvard Law Review 109, 1996, 923-1028, S. S. 936, 983, 1006.

[7] Bartosz Brożek, Analogy in Legal Discourse, ARSP 94, 2008, 188-201, S. 193.

[8] Frederick Schauer, Thinking Like a Lawyer. A New Introduction to Legal Reasoning, 2009, S.88.

[9] Lloyd L. Weinreb, Legal Reason. The Use of Analogy in Legal Argument, 2. Aufl., 2016, S. 59f.

[10] Ralf Poscher, The Hermeneutics of Legal Precedent, SSRN 2022, 4042864.

[11] Weinreb S. 60ff.

 

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Relevante Ähnlichkeit

Will man Fragen beantworten oder gar Probleme mit einer Analogie lösen, so hilft nicht jede Ähnlichkeit. Es kommt auf relevante Ähnlichkeiten an.[1] Der Relevanzbegriff ist allerdings kaum schärfer als derjenige der Ähnlichkeit.[2] Der Relevanz kommt man jedoch auf die Spur, wenn man die Beispiele für (mögliche) Analogien nicht abstrakt ansieht, sondern mit den Augen unterschiedlicher Betrachter, die jeweils ihre eigenen Fragen stellen.

Aristoteles wollte bei der Bildung seines Beispiels zeigen, was Sprache leisten kann. Mit Dionysos und Ares hatte er zwei Götter und Söhne des Zeus vor Augen, also zwei gleiche Objekte. Vor Augen hatte er aber auch die verschiedenen Attribute, den einen Gott mit Becher, den anderen mit Schild. Gleichheit und Ungleichheit zusammen ergibt Ähnlichkeit. In dieser Situation, so zeigt Aristoteles uns mit seinem Beispiel, können die Attribute als Ersatz für die Namen dienen.

Den Besucher der Antikenabteilung des Museums, der nebeneinander zwei Vasen mit figürlichen Darstellungen erblickt, bewegt die Frage, wen die Figuren darstellen könnten. Er wird zunächst Gleichheit konstatieren: Auf beiden Vasen sind Figuren aus der Mythologie abgebildet. Dann wird er nach Unterschieden suchen und bemerken, dass beide Figuren einen anderen Gegenstand in der Hand tragen. Nun erscheinen ihm die Figuren nicht länger als gleich, sondern nur noch als ähnlich. Wenn sein Vorwissen ausreicht, wird er mit Hilfe der Attribute aus seinem Vorwissen die Namen der dargestellten Figuren erschließen.

Der Aristoteles-Übersetzer will einen passenden Ausdruck für die Vokabel φιάλη finden, mit der Aristoteles den Becher des Dionysos bezeichnete. Der Übersetzer weiß, dass Dionysos im Bild meistens mit dem κάνθαρος, dem zweihenkligen Weinbecher, dargestellt wurde. Gigon übersetzte daher mit »Becher«, Fuhrmann dagegen mit »Schale«, vielleicht, um sprachlich eine Ähnlichkeit der unterschiedlichen Attribute zum Ausdruck zu bringen, die vielleicht schon Aristoteles im Sinn hatte, hat doch ein Schild umgedreht die Form einer Schale (und im Deutschen kommt die passende Alliteration hinzu). Anstelle des Bechers hätte Aristoteles auch den Thyrsos wählen können. So hat jeder einen anderen Blick auf die Dinge. Was als Ähnlichkeit wahrgenommen wird, liegt im Auge des Betrachters.

Für das »Auge des Betrachters« nutzen Psychologie, Soziologie und Linguistik das Konzept des Framing.[3] Frames sind kognitive Strukturen, die Wissen über bestimmte Phänomene oder Situationen ad personam bündeln. Diese Rahmung hängt von der Position (dem Aspekt) des Fragers ab und bestimmt damit dessen Definition der Situation. Damit schließt sich der Kreis zum Mapping und Encoding. Eine komplexe Situation wird subjektiv durch eine Auswahl konkreter Merkmale strukturiert, die als handlungsleitende Rahmung die Wahrnehmung lenkt. Merkmale, die im frame nicht enkodiert sind, bleiben draußen vor. Unberücksichtigt bleiben so im Beispiel des Aristoteles etwa die verschiedenen Mütter der beiden Zeus-Söhne, aber auch deren weitere Attribute.

Als Zwischenergebnis lässt sich festhalten: Zwischen zwei beliebigen Objekten gibt es praktisch immer Unterschiede und ebenso Übereinstimmungen, die als Ähnlichkeiten wahrgenommen werden können. Jedes Mapping einer Situation, das durch das die Enkodierung von Merkmalen und Relationen die Erkennung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden möglich macht, lässt viele Merkmale unberücksichtigt. Was verschieden, gleich oder ähnlich ist, ist relativ zum frame desjenigen, der die Antwort auf eine von ihm gestellte Frage sucht. Gelegentlich springen Ähnlichkeiten aber auch unabhängig von bestimmten Problem- oder Fragestellungen ins Auge.

In vielen Situationen bietet der Rechtsstandpunkt einen Bezugsrahmen, der sich gegenüber anderen Rahmungen (wirtschaftlicher Standpunkt, politischer Standpunkt, Interessenstandpunkte) abgrenzen lässt. Der Rechtsrahmen kann jedoch zerfallen, wenn eine Analogie herangezogen werden soll, um ihn auszufüllen. Weinreb versucht zu beruhigen mit der These, dass juristische Ausbildung und Praxis zu einem einheitlichen Urteilsvermögen verhelfen:

»The legal knowledge and experience that lawyers and judges bring to the facts of a case tell them (…) that some similarities count for the matter at hand and others do not.« [4]

Brozek ist kritisch.[5]

»I find Weinreb’s conception problematic for one simple reason: he offers no structural account of analogical reasoning and the fact that we do (and often successfully) use analogies on daily basis is not a strong argument to the effect that analogy can serve as justification in rational legal discourse.«

Volle Skepsis gegenüber dem Ähnlichkeitsurteil der Juristen formuliert Schauer, wenn er schreibt:

» … lawyers do not select analogies that they will believe will not lead someone – judge or jury – to the conclusion that they are advocating, and judges do not select analogies that they believe will not help the reader of an opinion see the wisdom in heir conclusion.«[6]

Ich bin hin- und hergerissen. Deshalb will ich Weinreb ausführlicher zitieren.

»Although no rule dictates a decision, in the manner of a deductive argument, the choice of which analogy to prefer is not like the flip of a coin. Just as her common sense, the accumulation of ordinary experience, tells Edna that it makes no difference how much cranberry juice costs or whether it is imported, a lawyer or judge relies on his knowledge and experience of law. The greater his experience in the particular area of law, the more likely is it that the analogy he chooses will be convincing to others (just like Edna’s advice [der darin bestand, sie solle den roten Saftflecken mit dem gleichen Mittel bekämpfen wie einen Rotweinflecken], to Mary would be more convincing if Edna had a degree in food chemistry). The choice is iformed also by a broad understanding of what is relevant to the sort of decisionbeing made – a matter of liability (Adams) or regulation or business or individual rights – and broader still, what generally ›counts‹ in law.« (S. 59f)

»Without having any general rule or principle to work with, we often can tell with reasonable assurance what is likely to be relevant, because we have had more or less similar experiences, of how things work. Sometimes experience fails us. Who would have thought that the mold that forms on brad and other foods would be the source of an invaluable medicine? But over the lare range, our experience is ordely and serve us well.« (S. 122)

»The coherence and stability of a legal order is an analog of the orderliness of nature. The Analogy is not complete because our knowledge of the natural order depends on the overriding premise that its regularities are part of an objective reality that is there to be discovered. Regularities of the legal order , on the other hand, are the product of human design and have to be constructed. Nevertheless, in an ongoing legal order, they enable us to subject analogies in the law to the ordinary demands of substantive reasonableness, in light of what we know.

In short, support for the analogy on which an analogical legal argument depends is found in its legal context, or, more simply, in the law itself. Those who insist, that there is no basis for validating a legal argument except by deduction or induction suppose that lawyers and judges make their argument in a vacuum, as if they have no more reason to choose one analogy over another than would a visitor from Mars who was asked to explain why the lawn is wet.« (S. 125)

Und noch einmal vollständiger von S. 127:

»The legal knowledge and experience that lawyers and judges bring to the facts of a case tell them … that some similarities count for the matter at hand and others not. Their ability to make such distinctions is no more mysterious in the one case than it is in the other. If a legal analogy cannot be put to the test in the same way that a practical analogy can, it is nevertheless subject to tests of consistency and coherence with rules of law that together indicate the relevance of particular facts to the issue in question, although neither individually nor collectively do they prescribe conclusively for the specific situation.«

Weinreb findet in der Fähigkeit, situationsadäquat Gleichheit, Verschiedenheit und Ähnlichkeit wahrzunehmen, eine jedem Menschen angewachsene Kompetenz.[7]

»Ther is no question, however, that the ability is acquired very early and that it cannot be assimilated or reduced to deductive reasoning, because deductive reasoning depends on it.«

Dazu bezieht sich Weinreb auf W. V. Quine, bei dem zu lesen ist [8]:

»A standard of similarity is in some sense innate.«

Das Zitat stammt aus dem berühmten Aufsatz »Natural Kinds« (dort S. 274), in dem Quine dem Induktionsproblem mit einem realistischen Gattungsbegriff auf die Spur kommen wollte. Auch daraus sei ausführlicher (von S. 272) zitiert:

»For surely there is nothing more basic to thought and language than our sense of [similarity]; our sorting of things into kinds. The usual general term, whether a common noun or a verb or an adjective, owes its generality to some resemblance among the things referred to. Indeed, learning to use a word de pends on a double resemblance: first, a resemblance between the present circumstances and past circumstances in which the word was used, and second, a phonetic resemblance between the present utterance of the word and past utterances of it. And every reasonable expectation depends on resemblance of circumstances, together with our tendency to expect similar causes to have similar effects. The notion of a kind and the notion of similarity or resemblance seem to be variants or adaptations of a single notion. Similarity is immediately definable in terms of kind; for, things are similar when they are two of a kind. The very words for ›kind‹ and ›similar‹ tend to run in etymologically cognate pairs. Cognate with ›kind› we have ›akin‹ and ›kindred‹. Cognate with ›like‹ we have ›ilk‹. Cognate with ›similar‹ and ›same‹ and ›resemble‹ there are ›sammeln‹ and ›assemble‹, suggesting a gathering into kinds. We cannot easily imagine a more familiar or fundamental notion than this, or a notion more ubiquitous in its applications. On this score it is like the notions of logic: like identity, negation, alternation, and the rest. And yet, strangely, there is something logically repugnant about it. For we are baffled when we try to relate the general notion of similarity significantly to logical terms. One’s first hasty suggestion might be to say that things are similar when they have all or most or many properties in common.«

Was folgt aus alledem? Anscheinend gibt es so etwas wie einen Naturalized Turn in Epistemology (Chase Wrenn im der Routledge Handbook of Social Epistemology, 2019). Die Epistemologie kann den Alltagsrealismus doch nicht ganz ingnorieren. Es kommt auf die Suchrichtung an. Wenn man eine Matter of Question im Kopf hat und nach Ähnlichkeiten sucht, findet man nur relevante Ähnlichkeit. Fragt man dagegen nach Gleichheit, vergleicht man also zwei Objekte, so drängen sich auch natürliche (ontologische) Ähnlichkeiten auf.


[1] Bartosz Brożek, Analogy in Legal Discourse, ARSP 94, 2008, 188-201, S. 193.

[2] Brewer (wie Fn. 5) S. 933.

[3] Für die philosophische Argumentationstheorie baut Harald Wohlrapp auf dieses Konzept: wie Fn. 24 und ausführlich in: The Concept of Argument. A Philosophical Foundation, 2014, S. 175ff. .

[4] Lloyd L. Weinreb, Legal Reason. The Use of Analogy in Legal Argument, 2. Aufl., 2016, S. 127.

[5] Bartosz Brożek, Analogy in Legal Discourse, ARSP 94, 2008, 188-201, S. 193.

[6] Frederick Schauer, Thinking Like a Lawyer, A New Introduction to Legal Reasoning, 2009, S. 88.

[7] S. 114ff.

[8] Willard van Orman Quine, Natural Kinds, in: Essays in Honor of Carl G. Hempel,1969. Ich zitiere nach dem Abdruck in: Jaegwon Kim/Daniel Z. Korman/Sosa (Hg.), Metaphysic. An Anthology, 2012, 271-280, S. 272.

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Analogie als Prozess

Die Überlegung, was am Anfang einer Analogie stehen könnte, nämlich die »Matter in Question«, deutet darauf hin, dass die Folgerung am Ende das Ergebnis eines gedanklichen Prozesses sein muss, den man in seinen verschiedenen Stadien beschreiben kann.

Der gedankliche Prozess beginnt mit der Identifizierung eine Ausgangssituation, für die eine Erklärung gesucht, eine Frage zu beantworten oder ein Problem zu entscheiden ist. In juristischem Zusammenhang geht es stets darum, eine Norm zu finden, die eine Rechtsbehauptung stützen könnte. Brewer spricht von der analogy-warranting rule und liefert gleich eine Abkürzung mit (AWR).[1]

Im zweiten Schritt folgt die Suche nach Vergleichssituationen, die als Beispiel oder Vorbild dienen und damit zur Basis der Analogie werden können. In juristischem Zusammenhang geht es darum, einen bereits durch Gesetz oder Präjudiz geregelten ähnlichen Fall zu finden.

Im dritten Schritt wird ein Mapping der Ausgangssituation und der Vergleichssituation auf Ähnlichkeiten und Unterschiede angestellt. In juristischem Zusammenhang geht es darum, den Tatbestand der Vergleichssituation und den Tatbestand der Ausgangssituation zu vergleichen, also um einen Fallvergleich.

Im vierten Schritt werden die Merkmale oder Relationen identifiziert, die das Ausgangsproblem lösen könnten, wenn sie vom Vergleichsfall auf den Ausgangsfall übertragen würden. In juristischem Zusammenhang ist dieser Schritt schon mit dem ersten Schritt erledigt. Zu übertragen wäre die Rechtsfolge der Norm, die den Vergleichsfall regiert.

Im fünften Schritt wird nach Gründen gesucht, die für oder gegen die Übertragung sprechen. In juristischem Zusammenhang ist hier die wichtigste Arbeit zu leisten. Dabei wird man wiederholt auf den dritten Schritt zurückgeworfen, weil Ähnlichkeiten und Unterschiede in Abhängigkeit von den Gründen wahrgenommen werden.

Der sechste und letzte Schritt ist dann die Entscheidung für oder gegen den Analogieschluss.

Brozek fasst die ersten vier Schritte als Heuristik zusammen, den funften und sechsten als Abwägung.

Brewers Abhandlung ist weitgehend als Verteidigung der Analogie als eines selbständigen Arguments rezipiert worden. Dagegen macht Weinreb mit guten Gründen geltend, Brewer lege tatsächlich der Analogie nur als Heuristik einen Eigenwert bei. Alle weiteren Schritte, mit denen die durch die Analogie entdeckte Regel bestätigt oder verworfen werden, liefen auf eine Kombination von induktiven und deduktiven Argumenten hinaus.[2] Es lohnt sich indessen, noch einmal auf das heuristische Anfangsstadium zurückzukommen, das Brewer als Abduktion einordnet. Mit Peirce kann man davon ausgehen, dass die Auffindung von brauchbaren Erklärungen für neue Probleme am besten dem Wissenschaftler gelingt, der im Allgemeinen mit dem Problembereich vertraut ist. Analog gilt das auch für normative Analogien. Was am Anfang die Qualität der Abduktion bestimmt, könnte am Ende nach der Durchmusterung der konduktiven Argumente noch einmal für das abschließende Werturteil für oder gegen die Analogie wichtig werden. Die juristische Expertise überbrückt mit Hilfe der Analogie den dezisionistischen Rest der Entscheidung.


[1] Scott Brewer, Exemplary Reasoning: Semantics. Pragmatics, and the Rational Force of Legal Argument by Analogy, Harvard Law Review 109, 1996, 923-1028, S. 962.

[2] Lloyd L. Weinreb, Legal Reason. The Use of Analogy in Legal Argument, 2. Aufl., 2016, S. 109.

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Analogie und »Matter in Question«

Viele Überlegungen zur Struktur der Analogiebildung gehen davon aus, dass Analogiebildung mit der Wahrnehmung einer Problemsituation beginnt, im Rechtsdenken also etwa mit der Wahrnehmung einer Lücke. In der Argumentationsliteratur wird Analogiebildung als ein Verfahren zur Gewinnung von Schlussfolgerungen behandelt. Am Anfang steht eine Frage, ein Streitpunkt, ein Problem, ein Ausgangsfall, bei Wohlrapp in einem englischen Text »matter in question«[1]. Es ist aber denkbar, dass erst die Feststellung einer Ähnlichkeit auf Fragen und Probleme hinführt. Einem Touristen etwa, der eine fremde Stadt besichtigt, fällt auf, dass dort viele Gebäude einander ähnlich sehen. Der Besucher eines Museums bemerkt Ähnlichkeiten zwischen verschiedenen Kunstwerken. Die Ähnlichkeit wird zunächst auf der Ebene phänomenologischer Betrachtung konstatiert. Erst ex post stellen sich Fragen ein. Man bemerkt einen Menschen, der einem Bekannten frappierend ähnelt und fragt sich: ist das Verwandtschaft oder eine Laune der Natur. Einige Autoren sprechen insoweit von figurativen[2] Analogien, die keine bestimmte Frage beantworten. Explanatorische Analogien sollen allein dem besseren Verständnis dienen.[3] Ein berühmtes Beispiel ist der Vergleich von Strom mit Strom, also Elektrizität mit einem Fluss:

»Did you ever stop to think how words mold science and make it what it is? The scientists who first described electricity as a ›current‹ forever shaped science in this field. It then quite naturally began seriously to be assumed that electricity was something that flowed through wires as water flows between riverbanks. Naturally then it had a potential rate of flow influenced by the resistance it met. One term followed another and soon this cloud of symbols veiled the mystery of electricity and we felt that we completely understood.«[4]

Die Fähigkeit, Gleichheit, Verschiedenheit und Ähnlichkeit zu konstatieren und daraus Schlüsse zu ziehen, ist eine menschliche Basiskompetenz, die sich von früher Kindheit an entwickelt. Zuerst werden nur Attribute unterschieden. Dann auch Funktionen und Kausalitäten und damit Strukturen. So entwickelt sich die Fähigkeit zu weiterführenden Analogien.

Die Priorität von Frage oder Ähnlichkeit ist nicht immer klar. Ähnlichkeiten lösen Fragen aus. Fragen nehmen Einfluss darauf, ob und wo man Ähnlichkeiten findet. Übereinstimmungen, die als Ähnlichkeit erscheinen können, gibt es fast immer. Autos und Häuser haben Fenster gemeinsam. Vögel und Flugzeuge können fliegen. Kunstbilder und Herbstlaub sind farbig. Stühle und Menschen haben Beine. Deshalb werden sie aber normalerweise nicht als ähnlich wahrgenommen. Es scheint jedoch Ähnlichkeiten zu geben, die sich phänomenologisch mehr oder weniger aufdrängen. Anscheinend springt Ähnlichkeit eher ins Auge beim Vergleich von Attributen als beim Vergleich von Relationen.[5] Der Bundesfinanzhof hatte darüber zu befinden, ob Einkünfte aus der Vermietung eines in der die Luftfahrzeugrolle eingetragenen Flugzeugs ebenso zu behandeln seien wie Einkünfte aus der Vermietung von im Schiffsregister eingetragenen Schiffen.[6]  Da drängte das Attribut »Eintragung in ein öffentliches Register« die Analogie geradezu auf. Dagegen mag der Versuch, anonyme Umtriebe im Internet als »digitale Vermummung« in den Griff zu bekommen, zwar innovativ und einleuchtend erscheinen.[7] Die Relation »anonyme Kommunikation« ist aber doch vergleichsweise schwach.

Der Generalverdacht der Analogie-Skeptiker beruht darauf, dass keine zwei Objekte völlig gleich und ebenso wenig keine zwei Objekte gar keine Ähnlichkeit aufweisen. Sie schließen daraus, dass das Auffinden einer Ähnlichkeit schlechthin beliebig sei und die Analogie als selbständige Argumentation entsprechend wertlos.[8] Es fällt schwer, dieser Skepsis uneingeschränkt zu folgen. Die Fähigkeit, über Mustererkennung Gleichheit festzustellen, ist schon bei allen Wirbeltieren vorhanden, und Tiere sind auch schon in der Lage auf Ähnlichkeiten u reagieren.[9] Ähnlichkeiten drängen sich jedermann im Alltag ohne Anlass immer wieder auf. In psychologischen Tests werden relativ übereinstimmend Ähnlichkeiten erkannt. (Nicht nur) Künstler können ein Thema in Sprache Bild und Ton gezielt variieren, also Ähnlichkeiten herstellen, die dann auch in der Regel wiedererkannt werden. Wir können es nicht beweisen. Aber es gibt wohl doch eine objektivierbare Phänomenologie der relevanten Ähnlichkeit.


[1] Harald Wohlrapp, A New Light on Non-Deductive Argumentation Schemes, Argumentation 12, 1998, 341-350, S. 343.

[2] Bruce N. Waller, Classifying and Analyzing Analogies, Informal Logic 21, 2001, 199-218, S. 200.

[3] Douglas N. Walton, Informal Logic, 2. Aufl. 2008, S. 311; Manfred Kraus, Arguments by Analogy (and What We Can Learn about Them from Aristotle), in: Frans H. van Eemeren/Bart Garssen (Hg.), Reflections on Theoretical Issues in Argumentation Theory, 2015, 171-182, S. 172 mit Nachweisen, denen ich nicht nachgegangen bin.

[4] T. Swann Harding, Science at the Tower of Babel, Philosophy of Science 5, 1938, 338-353, S. 347.

[5] Robert L. Goldstone/Douglas L. Medin/Dedre Gentner, Relational Similarity and the Nonindependence of Features in Similarity Judgments, Cognitive Psychology 23, 1991, 222-262.

[6] BFH, Urteil vom 02. Mai 2000 – IX R 71/96 –, BFHE 192, 84.

[7] Timo Schwandner, Das digitale Vermummungsverbot – eine irreführende Analogie, ZRP 2019, 207-209; vgl. auch Hans-Christian Gräfe/Andrea Hamm, Anonymität im Internet, in: Franz X. Berger u. a. (Hg.), Autonomie und Verantwortung in digitalen Kulturen, 2021, 251-286.

[8] Hier lässst sich Peirce zitieren, der mit Beispielen die Beliebigkeit von Ähnlichkeitsargumenten demonstrieren will (CP 2.634): »There is no greater nor more frequent mistake in practical logic than to suppose that things which resemble one another strongly in some respects are any the more likely for that to be alike in others. That this is absolutely false, admits of rigid demonstration; but, inasmuch as the reasoning is somewhat severe and complicated (requiring, like all such reasoning, the use of A, B, C, etc., to set it forth), the reader would probably find it distasteful, and I omit it. An example, however, may illustrate the proposition: The comparative mythologists occupy themselves with finding points of resemblance between solar phenomena and the careers of the heroes of all sorts of traditional stories; and upon the basis of such resemblances they infer that these heroes are impersonations of the sun. If there be anything more in their reasonings, it has never been made clear to me. An ingenious logician, to show how futile all that is, wrote a little book, in which he pretended to prove, in the same manner, that Napoleon Bonaparte is only an impersonation of the sun. It was really wonderful to see how many points of resemblance he made out. The truth is, that any two things resemble one another just as strongly as any two others, if recondite resemblances are admitted.«

[9] Keith James Holyoak/Paul Thagard, Mental Leaps, 1995, S. 40 ff: The analogical ape.

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Analogie und Beispiel III: Fallvergleich und Distinguishing

Jedermann steht ständig vor der Notwendigkeit, Handlungsentschlüsse zu fassen. Da kann jede Handlung, die er beobachtet, zum Vorbild oder Beispiel werden. Beispiele können als bloße Anleitung (Rezept) oder als Normvorschlag dienen. Einem Beispiel zu folgen heißt, die aus dem Beispiel ersichtliche Regel zu verwirklichen. Auch Beispiele, die nur eine Gebrauchsanleitung für einen Sacherfolg liefern, enthalten insofern eine Regel. Handlungen, die nicht als Vorbild gedacht sind, können doch als solches wirken. (Im Alltag ist das anscheinend bei schlechten Beispielen häufiger der Fall als bei guten.) Damit stoßen wir auf ein Henne-Ei-Problem, die Frage nämlich, was geht voraus, der Fall oder die Regel? Anders gefragt, dienen Präjudizien als Vorbild für Fälle oder als Quelle für Regeln?

Jede Bezugnahme auf ein Präjudiz fordert einen Fallvergleich. Der Fallvergleich ist eine wie selbstverständlich geübte juristische Praxis, die allerdings methodisch wenig reflektiert wird. Für Fritjof Haft ist der Fallvergleich »die zentrale juristische Operation«[1]. Haft wendet sich gegen die »Grundvorstellung, daß es dem Rechtsanwender vorgegebene Rechtsideen gebe, und daß diese in abstrakten Begriffen festgehalten werden könnten. … [Denn] Die Gerechtigkeit ist eine Sache des Einzelfalles. Der Einzelfall wird nicht an vorgegebenen Ideen gemessen. Er trägt die richtige Lösung allein in sich.«[2] Über eine »bewußt gestaltete Vergleichsfalltechnik« erfährt man von Haft freilich nicht viel mehr, als dass es sich um »rhetorisches Problem« handelt.[3] Auch Arthur Kaufmann sieht im Fallvergleich den zentralen Akt der Rechtsgewinnung, nämlich »die Gleichsetzung des zu entscheidenden Falles mit solchen Fällen, die der einschlägigen Norm sicher unterfallen, also eine Analogie«[4]. Der Fallvergleich erfolge im Lichte einer durch Abduktion gewonnenen Normhypothese. Kaufmann wendet sich damit ausdrücklich gegen die Auffassung von Haft, dass ein Fallvergleich ohne Norm oder Regel möglich sei, die als tertium comparationis dient. Indessen verdient weder die Position Hafts noch diejenige Kaufmanns Zustimmung. Hafts Regelnihilismus ist nicht akzeptabel. Ohne Abstraktionen könnten wir uns nicht durch die Welt bewegen. Es geht immer nur um den Grad der Verallgemeinerung. Gegen Kaufmann ist zu sagen: Auch ohne eine Rechtsnorm als Vergleichsmaßstab kann man feststellen, dass zwei Objekte gleich oder ähnlich sind. Wäre es anders, gäbe es keine Kategorisierung und damit keine Begriffsbildung.

Die Differenz zwischen Haft und Kaufmann verschwindet, wenn man zwischen gelingender und zweifelhafter Kategorisierung unterscheidet. Auch ohne Vergleichsmaßstab kann man feststellen, dass zwei Objekte gleich sind. Wenn sie verschieden sind, kann man immer noch Ähnlichkeit konstatieren, wenn einzelne Merkmale übereinstimmen. Die Kategorie ist noch kein Vergleichsmaßstab. Dieser tritt für den Vergleich zur Kategorie hinzu. Primärer Maßstab für die Ähnlichkeit bleibt die Kategorie, der versuchsweise zugeordnet wurde. Erst wenn es darum geht, Ähnliches trotz Verschiedenheit gleichzusetzen, braucht man eine Regel als Vergleichsmaßstab. Dann geht es nicht mehr um Ähnlichkeit an sich (ontische oder phänomenale Ähnlichkeit), sondern um relevante Ähnlichkeit.

Die juristischen Kategorien für die Gesetzesanalogie liefern die Tatbestandmerkmale einer Norm. Wenn die Kategorisierung = Subsumtion misslingt, weil nicht alle, sondern nur einige Tatbestandsmerkmale erfüllt sind, geht es nicht länger um Gleichheit, sondern um Gleichsetzung aufgrund von Ähnlichkeit.[5] Die Ungleichsetzung entspricht dem distinguishing im Common Law. Black’s Law Dictionary[6] definiert: »To point out an essential difference.« Für Scott Brewer handelt es sich dabei um eine umgekehrte Analogie (disanalogy).[7] Das Problem steckt im essential. Offen bleibt, ob die Fälle als solche verglichen werden oder ob ein fallexterner Vergleichsmaßstab anzulegen ist.

Soll nicht auf eine Norm, sondern auf ein Präjudiz abgestellt werden, kann man nicht selten Gleichheit der Fälle konstatieren. Wurde dem Käufer eines Audi mit Dieselmotor des Baujahrs 2008 Schadensersatz zugebilligt, weil der Motor des Typs EA189 mit einer so genannten Schummel-Software ausgerüstet war, so liegt der Fall des Käufers eines anderen Audi mit diesem Motor, der nunmehr seinerseits Ersatz fordert, gleich. Für das Gleichheitsurteil bedarf es keiner Regel. Aber so klar ist das Gleichheitsurteil nicht immer. Die Kategorisierung von Fällen als gleich fällt »analog« zur Kategorisierung qua Subsumtion oft zweifelhaft aus. Dann allerdings muss ein Vergleichsmaßstab her. Als solche dient die Regel, die dem Präjudiz entnommen wird.

Ganz interessant ist in diesem Zusammenhang, wie die Sprachphilosophen mit einer »analogen« Problematik kämpfen und sich dazu an der Jurisprudenz orientieren. So überlegt Jasper Liptow, ob »sich unsere Praxis sprachlicher Verständigung aus philosophischer Perspektive in gewinnbringender Weise nach dem Modell einer (stark idealisierten) Praxis der Rechtsprechung verstehen lässt, nämlich des Fallrechts (case law)« [8]. Hintergrund ist die Kontroverse, ob zur Erklärung sprachlicher Verständigung von Idiolekten, also der Privatsprache einzelner Sprecher, oder besser von Soziolekten, also vom regelhaften Sprachverhalten menschlicher Gemeinschaften auszugehen ist. Liptow selbst optiert für den Idiolekt als Ausgangspunkt, weil sich die Individualität sprachlichen Verhalten nur damit vertrage. Aus dieser Sicht wären Sprachnormen nicht konstitutiv für die sprachliche Verständigung, sondern nur sekundäres Hilfsmittel.

»Sprachliche Verständigung dient primär dazu, andere zu verstehen. Insofern sie als das Verstehen einer gemeinsamen Sprache konzipiert wird, verfehlt sie diesen Zweck immer dann, wenn andere in ihren Sprachgewohnheiten – ihren Idiolekten – von dem abstrakten Ideal abweichen.… Einem solchen Begriff von Verständigung zufolge teilen wir zwar keine Sprache, aber eine unüberschaubare Vielzahl von Situationen gelungener Verständigung mit mindestens einer weiteren Person.« (Liptow S. 5, 11)

Liptow geht von einem »Fallrechts-Modell sozialer Praxis« aus, das von Robert Brandom »in einem ganz anderen Kontext« entwickelt wurde, nämlich zur der von ihm semantisch pragmatistisch genannten These, »daß der Gebrauch von Begriffen ihren Gehalt bestimmt, d. h. daß Begriffe keinen Gehalt außer dem haben können, der ihnen durch ihre Verwendung verliehen wird«[9]. Brandom charakterisiert dieses Modell damit,

»daß es ausschließlich auf Fällen beruht. Es ist keine Auslegung von expliziten Grundrechten, Regeln oder Prinzipien. Es gibt hier nur eine Abfolge von Anwendungen von Begriffen auf aktuelle Gruppen von Tatsachen. … Der Gehalt der Begriffe, die der Richter anwenden muß, ist vollständig konstituiert durch die Geschichte ihrer früheren tatsächlichen Anwendungen … Es ist diese Tradition, gegenüber welcher der Richter verantwortlich ist. Der Gehalt dieser Begriffe wurde vollständig durch ihre faktische Anwendung konstituiert.«[10]

Für die an dieser Stelle erörterte Frage, ob Gleichheit und Ähnlichkeit von Fällen auch ohne Rücksicht auf eine Regel oder Norm beurteilt werden kann, helfen die Überlegungen Brandoms aber nicht weiter. Was in seinem von Hegel bestimmten Kontext die »Begriffe« sind, sind im juristischen Kontext eben die Regeln. Brandom geht es darum, wie aus einer Kette von Fällen Regeln entstehen, wiewohl doch der Richter den Vor-Fall als Präjudiz verwerfen könnte. Seine Erklärung mit der »reziproke[n] Autorität« vergangener, aktueller und künftiger »Begriffsverwendungen« könnte im Abschnitt über »Casus und Regula« hilfreich werden. Für den aktuellen Zusammenhang entnehme ich Liptows Aufsatz aber nur, dass die Sprachphilosophie mit dem Gegensatz von Idiolekt und Soziolekt vor einem »analogen« Problem steht wie die Jurisprudenz mit der Frage, ob Fall oder Regel den Ausgangspunkt bilden. Wählt man analog zum Idiolekt den Fall als Ausgangspunkt und zieht man die Analogie mit Liptows Hilfe aus, so verhält es sich entsprechend der »radikalen Übersetzung« im Sinne von Quine und Davidson. Die Analogie funktioniert auf der Basis von Tatsachen, die ohne Regel zugänglich sind, nämlich auf einem Fall.

An Davidson knüpft auch Ralf Poscher in einem neuen Text über »The Hermeneutics of Legal Precedent«. Er stellt auf die intentionalistische Konzeption Davidson zu Meinung und Bedeutung ab, den er wie folgt zitiert:

»So in the end, the sole source of linguistic meaning is the intentional production of tokens of sentences«.

Davidson habe jedoch hinzugefügt, dass Bedeutung und Interpretation nicht auf konventionelle Sprache angewiesen seien. Wenn es um Präjudizien gehe, die selbst kein holding oder keine Regel formulierten, so müsse dennoch »hermeneutisch« nach der Intention der Entscheider gefragt werden.

Meine These lautet hier, dass ein Fallvergleich mindestens vorläufig ohne Hilfe einer Regel möglich ist. Es lässt sich schwerlich bestreiten, dass wir Personen, Gegenstände oder Örtlichkeiten, die wir einmal wahrgenommen haben, auch ohne Anlass wiedererkennen. In der Informatik spricht man vom One-Shot-Learning, das etwa dazu verhilft, ein bestimmtes Gesicht oder eine Stimme zu identifizieren. Praktisch wird dabei eine existente Kategorisierung nur durch zusätzliche Merkmale verfeinert. Nicht immer lässt sich auf diese Weise unterscheiden, ob ein identisches oder nur ein gleiches Objekt erkannt wird.

Schwieriger als der Vergleich von kompakten Objekten ist der Vergleich von komplexeren Situationen, wie ihn der Fallvergleich, der die Heranziehung eines Präjudizes rechtfertigen soll, in der Regel fordert. Auch »Situationen« können nur mit Hilfe von Begriffen = Kategorien beschrieben werden. Situationen lassen sich verhältnismäßig einfach kategorisieren, wenn man nur auf einzelne perzeptiv prominente Merkmale abstellt, z. B. auf die Beteiligten (Mann, Frau, zwei, viele), auf den Streitgegenstand (Geld, Beziehung, Politik) oder den dem Orts- und Zeitbezug. Solche Kategorisierung dient im Vorfeld des Gerichtsprozesses die Zuständigkeitsverteilung. Sie ist nicht von vornherein teleologisch, sondern – wenn man so will – ontologisch. Sie könnte auch für statistische Zwecke genutzt werden oder für die Zusammenstellung einer Stichprobe in der Sozialforschung[11]. Aber singuläre Merkmale machen noch keinen »Fall«. Wenn es um den Tatbestand eines Präjudizes geht, wird es insofern schwierig, als der Fall keine schlechthin objektive Einheit bildet. Was als Fall definiert wird, ist ein interessengeleiteter Ausschnitt aus der Welt. In juristischem Zusammenhang erhält der Fall seine Konturen aus vorhandenen oder gewünschten Regeln, aus Urteilstatbeständen und Klagevorbringen. Doch auch insoweit scheint mir ein vorjuristische, sozusagen ontologischer Fallvergleich nicht ausgeschlossen zu sein.

Wie würde künstliche Intelligenz (KI) den Fallvergleich übernehmen? KI hat keinen direkten Zugriff auf die Semantik und damit auf den intensionalen Gehalt eines Begriffs. KI arbeitet vielmehr extensional, das heißt, es werden Merkmale bestimmt, anhand derer sich die Fälle erkennen und unterscheiden lassen. Je mehr Merkmale benutzt werden, je spezifischer sie definiert werden, um so genauer wird eine Situation = Fall erkannt. Die Schärfe der Fallerkennung scheint also von der Spezifizierung der Merkmale abzuhängen, z. B. ob als Merkmal Tier oder Säugetier gewählt wird. Werden die Merkmale jedoch (zu) eng und scharf gewählt, so fallen (zu) viele Kandidaten aus dem Raster. Daher muss auch KI verfahren wie der Mensch im Alltag. Der bildet mit einer begrenzten Anzahl von Merkmalen ein »Konzept«. Dazu abstrahiert er von konkreten Gegenständen und Personen, Ereignissen und Handlungen. So entstehen »Typen«. Kelle/Kluge beziehen sich (S. 84) dazu (ungenau) auf Alfred Schütz. Diesen Bezug nehme ich als Wegweiser in die (Mundan)-Phänomenologie. Das bedeutet in meinem Zusammenhang, auch neue Aufgaben werden zunächst mit dem Vorrat an symbolischen Konstruktionen = Konzepten in Angriff genommen, die man in seiner Lebenswelt gewonnen hat.

Wenn also eine neue Aufgabe in Gestalt eines Fallvergleichs zu lösen ist, dann probiert man die Lösung zunächst mit unabhängig von dieser Aufgabe schon vorhandenen Konzepten. Zwar sind die Konzepte in Juristenköpfen immer schon mit Normvorstellungen angereichert. Dennoch besteht wohl grundsätzlich die Möglichkeit eines ontologischen oder besser phänomenologischen Fallvergleichs. Erst wenn es um die Gleichsetzung von bloß ähnlichen Fällen geht, kommt eine Regel oder deren Zweck ins Spiel.


[1] Fritjof Haft, Falldenken statt Normdenken, Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung (Hg.), Der deutsche Sprachgebrauch, Bd. II, 1981, 153-161, S. 153.

[2] Haft S. 156f.

[3] Haft S. 160.

[4] Arthur Kaufmann, Das Verfahren der Rechtsgewinnung – eine rationale Analyse, Deduktion, Induktion, Abduktion, Analogie, Erkenntnis, Dezision, Macht, 1999, S. VI.

[5] Zutreffend sagt Kaufmann daher an anderer Stelle, dass ein striktes Analogieverbot auf ein Interpretationsverbot hinausläuft (Analogie und »Natur der Sache«, 1965, S. 4).

[6] 5. Aufl. 1979, S. 425.

[7] Brewer S. 936 + S. 983 +S. 1006.

[8] Jasper Liptow, Das Fallrecht als Modell sprachlicher Praxis, in: Friedrich Müller (Hg.), Politik, (Neue) Medien und die Sprache des Rechts, 2007, 55-69, S. 1. Ich zitiere nach einem im Internet verfügbaren Manuskript; daher die abweichenden Seitenangaben.

[9] Robert Brandom, Pragmatistische Themen in Hegels Idealismus, Unterhandlung und Verwaltung der Struktur und des Gehalts in Hegels Erklärung begrifflicher Normen, Deutsche Zeitschrift für Philosophie 47, 1999, 355-381.

[10] A. a. . S. 377f.

[11] Udo Kelle/Susann Kluge, Vom Einzelfall zum Typus. Fallvergleich und Fallkontrastierung in der qualitativen Sozialforschung, 2. Aufl., 2010.

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Analogie und Beispiel II: Defeasability

Beispiele drängen sich auf. Beispiele kann man suchen.

»Es gibt zwei Arten von Beispielen: Eine besteht darin, frühere Ereignisse zu erzählen, die zweite darin, selbst etwas zu erdichten.«[1]

Es war bereits davon die Rede, wie Trudy Grovier hypothetische Vergleichsfälle als (originäre) A-Priori-Analogien behandelt. Lawrence B. Solum hat mit einem Artikel seines Legal Theory Lexicon aufgezeigt, dass und wie Juristen mit hypothetischen Fällen argumentieren.[2] Der Artikel ist so lebhaft, kurz und präzise, dass ich besser die Lektüre empfehle als den Inhalt zu referieren.

Solums Lexikon-Artikel regt dazu an, mit Extrembeispielen die sogenannte defeasibility of rules zu demonstrieren. Das hat insofern mit dem Analogieproblem zu tun, als Analogie-Skeptiker für sich in Anspruch nehmen, es könne und müsse stets erst ein Prinzip abgeleitet werden, um den Ausgangsfall zu beurteilen. Erneut sollte ich dazu besser auf einen fremden Text verweisen. Da es insoweit aber nur um einen Ausschnitt geht und der Text von André Juthe [3]im Original englisch ist, versuche ich mich mit einer Paraphrase.

Juthe seinerseits nutzt ein Beispiel von Govier:[4]

»Lorenzo, Chairman der in finanziellen Schwierigkeiten befindlichen Eastern Airlines, sucht beim dem Konkursgericht Schutz vor seinen Gläubigern. Das sei etwa so, als ob ein junger Mann, der seine Eltern ermordet hat, um Milde bittet, weil er ein Waise sei. Denn Lorenzo habe in den letzten drei Jahren wertvolle Vermögenswerte von Eastern verschleudert und berufe sich nun auf Mittellosigkeit, weil Eastern Geld verliere.«

Govier skizziert den Gedankengang wie folgt:

(1) Ein junger Mann tötet seine Eltern, und bittet um Gnade, weil er nun Waise ist.

(2) Der Chairman von Eastern Airlines (Lorenzo) vernichtet die wichtigsten Vermögenswerte der Firma, nd beruft sich auf die Zahlungsunfähigkeit der Firma, , der er die ihre wichtigsten Vermögenswerte entzogen hat, und bittet und Schutz vor den Gläubigern.

(3) Der junge Mann verdient keine Gnade.

(4*) Niemand, der sich selbst in eine schwierige Situation gebracht hat, verdient Milde oder Schutz.

(5) Lorenzo verdient keinen Schutz vor seinen Gläubigern.

Juthe stellt nicht in Frage, dass die Analogie plausibel ist, bezweifelt aber die Kraft des duduktiven Arguments. Die Generalisierung in (4*) sei nämlich durchaus problematisch. Dafür genüge es nicht, die Fälle von Lorenzo und von dem Mann, der seine Eltern umbrachte, in allen relevanten Einzelheiten zu bedenken. Man müsste auch die relevanten Umstände aller (hypothetisch) denkbaren einschlägigen Fälle berücksichtigen. (4*) könnte leicht ausgehebelt werden mit dem Beispiel von rauschgiftabhängigen Jugendlichen oder Menschen, bei denen dumme kleine Fehler schwere Folgen nach sich ziehen. Vielleicht würde (4*) besser lauten: Niemand, der durch eigene unmoralische Handlungen sein eigenes Unglück herbeiführt, verdient Gnade. Aber diese Regel kann wiederum durch den Fall in Frage gestellt werden, dass ein nicht sehr schwerwiegender Moralverstoß sehr gravierende Folgen hat. Das Prinzip müsste also lauten: »Niemand, der unmoralische Handlungen sein eigenes Unglück herbeiführt, verdient Gnade, es sei denn, die Unmoral wiegt nicht schwer und die Folgen sind gravierend. Aber dann muss spezifiziert werden, was unter schwerwiegender Unmoral zu verstehen und welche Folgen gravierend sind. Man könnte dann sicher wieder Gegenbeispiele finden, welche diese Definitionen als unzureichend erweisen, z. B. den Fall, dass sich jemand eine schwerwiegende unmoralische Handlung begeht, dann aber bereut, was er getan hat und ein neues Leben beginnt. Erst danach treffen ihn die schweren Folgen seiner Handlung. Als Gegenbeispiel könne ferner vielleicht der Fall dienen, dass auch Unbeteiligte unter den schweren Folgen leiden. Eine allgemeine Regel, die mit dem Ziel formuliert wird, für Gegenbeispiele immun zu sein, müsste also alle Ausnahmefälle berücksichtigen.

Juthe folgert aus solchen Überlegungen, dass es ausgeschlossen sei, Analogien auf Induktion und Deduktion zurückzuführen, weil die Umstände, die im Fallvergleich berücksichtigt werden, für eine Generalisierung nicht ausreichen. Träfe das zu, so taugten Regeln wenig oder gar nichts. Tatsächlich »funktionieren« sie aber. So führen die Überlegungen zur Analogie zu einem der großen Standardthemen der Rechtstheorie, nämlich auf das Unbestimmtheitsheorem.

Zu praktisch jeder Rechtsnorm, die zur Anwendung in Betracht kommt, lassen sich Einschränkungen oder Ausnahmen finden oder erfinden. Das ist in der prinzipiellen Unvollständigkeit des Rechts begründet. Um dieses Phänomen herum ist unter dem Titel Defeasibilaty eine ebenso umfangreiche wie überflüssige Diskussion entstanden. Es geht um das Grundphänomen jeder Begriffsbildung. Begriffe abstrahieren von konkreten Objekten. Sie stellen Verallgemeinerungen dar. Das gilt selbstverständlich auch für Regeln aller Art und damit für Rechtsnormen. Verallgemeinerungen erweisen sich aber immer wieder als konkretisierungsbedürftig. Mit einem Beispiel aus einem Kongressvortrag von Giovanni Sartor: Tweety ist ein Vogel. Vögel können fliegen. Aber Tweety ist ein Pinguin, der nicht fliegen kann. Die (allgemeine) Regel gilt anscheinend nicht ausnahmslos. Aber das ist nur die Kehrseite der Unschärfe der Begriffe. Man kann auch sagen, die Regel gilt nur prima facie oder als Vermutung, solange sie nicht durch zusätzliche Informationen eingeschränkt wird. Die allgemeine Regel bildet einen Standard für den Normalfall (default rule), wenn nicht Gründe für eine Ausnahme ersichtlich sind.

Nur durch Verallgemeinerungen bekommt man die Komplexität der Welt halbwegs in Begriff. Man muss dafür bereit sein, sich unter Umständen eines Besseren belehren zu lassen. Das ist eine Trivialität, und deshalb sollte das umfangreiche Schrifttum über Defeasibility im Recht unter Ockhams Razor fallen. Wer sich davon überzeugen möchte, dass sie nicht weiter führt, mag einen der folgenden Titel zur Hand nehmen: Leonard G. Boonin, Concerning the Defeasibility of Legal Rules, Philosophy and Phenomenological Research 36, 1966, 371-378; Carsten Bäcker, Rules, Principles, and Defeasibility, ARSP Beiheft 119, 2010, 79-91, sowie Jordi Beltrán Ferrer/Giovanni Battista Ratti (Hg.), The Logic of Legal Requirements: Essays on Defeasibility, 2012; Francesca Poggi, Defeasibility, Law, and Argumentation: A Critical View from an Interpretative Standpoint, Argumentation 35, 2021, 409-434, sowie vier Beiträge im Schwerpunktheft Nr. 1/2022 der Zeitschrift »Rechtsphilosophie« zum Thema »Defeasable Normative Reasoning«.


[1] Aristoteles, Rhetorik, 1393a, übersetzt von Gernot Krapinger, 1999.

[2] Lawrence B. Solum, Legal Theory Lexicon 003: Hypotheticals, 2021.

[3] André Juthe, Argument by Analogy, Argumentation 19, 2005, 1-27, S. 20f.

[4] Trudy Govier, Analogies and Missing Premises, Informal Logic 11, 1989, 141-152, S. 143.

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Analogie und Beispiel I: Beispiele als Kontrastmittel

»An Analogical Argument can be desribed as reasoning by example.«[1]

»The defining feature of ›analogical‹, ›exemplary‹ reasoning is the use of examples in the process of moving from premises to conclusion in an argument«[2].

Ein einschlägiger Sammelband trägt den Titel »Analogy and Exemplary Reasoning in Legal Discourse«[3], erklärt uns aber nicht den Zusammenhang oder den Unterschied von Analogie und Beispiel. Fallen Beispiel und Analogieschluss etwa zusammen, wie man nach der Behandlung des Paradigmas durch Aristoteles meinen könnte? Jedenfalls scheinenBeispiele und Analogie etwas gemeinsam zu haben.

Exempla docent. Beispiele sind lehrreich. Sie dienen zur Konkretisierung von Abstracta. Regeln sind abstrakt, denn sie benennen keine Einzelfälle, sondern generalisieren. Eine Regel ist kraftlos, wenn die Fälle, die sie abdeckt, nicht identifiziert werden können. Beispiele können Regeln verdeutlichen, indem sie Einzelfälle vorstellen, die unter die Regel fallen. Mit Hilfe von Beispielen wird die Reichweite einer Regel ausgelotet. Dazu werden Normalfälle und Extremfälle gebildet, also Beispiele und Gegenbeispiele kontrastiert, um die Extension der Regel zu klären. Genau so werden Computerprogramme mit (Tausenden von) Beispielen trainiert.

Auf den ersten Blick dienen Beispiele nur zur Verbesserung der Kategorisierung. Das hat nichts mit Analogie zu tun. Bei einem zweiten Blick ist das nicht mehr so sicher. Sprachlich formulierte Regeln haben immer wieder unscharfe Grenzen. Beispiele liegen oft auf oder neben der Grenze. Dann ist die »Gleichsetzung« oder Ungleichsetzung des zu entscheidenden Falles mit den vom Gesetz zweifellos zu entscheidenden Fällen«[4] erforderlich. Autoren wie Arthur Kaufmann verneinen praktisch die Möglichkeit einer linearen Kategorisierung und gehen stattdessen von einer »Setzung« aus. Als gesetzlich streng determiniert akzeptiert Kaufmann nur Zahlbegriffe. Jede andere Anwendung einer Regel fordert nach seiner Auflassung eine »Gleichsetzung«, die er als Analogie eingeordnet.[5] Sein enger Subsumtionsbegriff hat einen weiten Analogiebegriff zur Folge. Diese Engführung verfehlt die Realität der Musterkennung durch menschliche und künstliche Intelligenz.

Subsumtion ist für Kaufmann gleichbedeutend mit Deduktion. Damit verwendet er den Subsumtionsbegriff in dem engen Sinne, der in der formalen Logik maßgeblich ist. Juristen nutzen den Subsumtionsbegriff jedoch meistens in einem weiteren Sinne, der eine »kleine« Auslegung einschließt. Kaufmanns immer wieder strapaziertes Beispiel ist der alte Salzsäurefall BGHSt 1, 1, indem das Gericht die Verwendung von Salzsäure gegen das Raubopfer als Verwendung einer »Waffe« angesehen hatte. Wenn die Flasche mit der Säure im Regal steht, also unabhängig von einem Raub, würden weder menschliche noch künstliche Intelligenz sie als Waffe kategorisieren. Es würde Ungleichheit konstatiert werden, und erst die Gleichsetzung von Säure und Waffe machte die Tat zum Raub. Damit läge die im Strafrecht unzulässige Analogie klar zu Tage.

Kategorisierung und Wiedererkennung von Objekten durch Menschen und Computer scheren sich nicht um das Universalienproblem, auf das Kaufmann immer wieder zurückkommt, sondern funktionieren. Im Bereich des Seienden gibt es keine absolute Gleichheit, aber auch keine völlige Verschiedenheit. Je genauer wir die Dinge betrachten, umso mehr schwinden die Gemeinsamkeiten. Bei genauester Beobachtung gibt es in Natur und Kultur keine gleichen Gegenstände. Genau besehen gleicht kein Stein dem anderen. Kein Lebewesen ist das vollkommene Abbild eines zweiten. Auch perfekter Technik will es nicht gelingen, völlig gleichartige Produkte herzustellen. Kein in der Zeit ablaufender Vorgang wiederholt sich in exakt derselben Weise. Es ist immer nur eine Frage der Vergrößerung, ob wir die Unterschiede wahrnehmen. Deshalb müssen wir davon ausgehen, dass wir in einer Welt von unendlicher Vielfalt leben. Wenn wir nur genau genug beobachten, werden wir sehen: Nichts ist schon da gewesen. Nichts wird sich wiederholen. Nichts ist gleich.

Und dennoch: Erfahrung ist Wiedererkennen. Erfahrung ist möglich, aber nur unter Verzicht auf Genauigkeit. Mit abnehmender Genauigkeit fügen sich die Dinge zu Klassen, und die Klassen werden gröber und größer. Blumen und Gräser, Bäume und Sträucher werden zu Pflanzen. Würmer und Käfer, Fische und Warmblüter werden zu Tieren. Stets können wir noch feiner unterteilen oder weiter zusammenfassen. Die Klassifizierungen bleiben notwendig unscharf, denn die Sprache muss mit einer endlichen Zahl von Begriffen die unendliche Vielfalt der Welt einfangen. Aber Menschen verfügen über die Kompetenz zur »elementaren Prädikation«[6]. Sie können in der Regel zwischen Gleichheit und Ähnlichkeit unterscheiden. Zutreffend weist daher Weinreb darauf hin, dass die philosophische Diskussion um den Universalienstreit durch die Arbeit der kognitiven Psychologie über Kategorisierungen abgelöst worden sei.[7]

Auch Psychologen und Informatiker kommen nicht mit Klassenbegriffen aus. Die Regeltheorie reicht ohne Ergänzung durch Prototypen- und/oder Exemplartheorien nicht aus, um das Kategorisierungsproblem zu erklären (o. IV). Dennoch sind menschliche eben so wie künstliche Intelligenz mit der Kategorisierung der Objektwelt sehr erfolgreich.

Für handelnde Menschen gilt: Ich weiß nicht, was eine Waffe ist, aber ich erkenne eine, wenn ich sie sehe. Das heißt: Menschen können auch ohne perfekte Definition kategorisieren. So liegt es »in der Natur der Sache«, dass Kaufmann am Ende den Typenbegriff zur Hilfe nimmt. Es wäre eine Aufgabe für sich, die Prototypentheorie der Kognitionspsychologie (und der Linguistik[8]) mit der juristischen Lehre vom Typus zu vergleichen. Das kann ich hier nicht leisten. Ich will aber auf ein anderes Problem hinweisen, dass sich aus der Verwendung des Typenbegriffs durch Kaufmann ergibt.

»Wenn man, um nochmals dieses Beispiel aufzugreifen, Salzsäure als eine ›Waffe‹ ansieht, so folgt das nicht aus dem Begriff der Waffe, sondern aus dem Typus der gefährlichen Körperverletzung.«[9]

So entfernt sich Kaufmann von der Auslegung und Subsumtion unter Tatbestandmerkmale. An die Stelle einer linearen Betrachtung von Tatbestandsmerkmalen und vielleicht auch noch von Relationen zwischen diesen tritt mit dem Typus eine weiter ausgreifende, ganzheitliche Betrachtung des »Falles«. Je weiter man die Sachverhalte fasst, die verglichen werden, um so eher kann man gemeinsame Merkmale entdecken. Kaufmann fährt fort:

»So erweist sich die Ähnlichkeit der Dinge nicht als eine ihnen bloß vom Subjekt beigelegte, vielmehr tragen die Dinge die Merkmale der Ähnlichkeit allererst in sich selbst.« (S. 44)

Darin würde ich ihm grundsätzlich beipflichten. Allein die Subjektivität verlagert sich bei Kaufmann in die Bestimmung der Vergleichsobjekte. Man kann durchaus darüber streiten, ob für die Anwendung von Rechtsnormen einzelne Tatbestandsmerkmale je für sich behandelt werden oder ob man umfassender »teleologisch« darauf abstellt, welche »Situation« die Rechtsnorm erfassen soll (oder gar noch einen weiteren Kontext einbezieht). Aber jedenfalls vom Strafrecht sollte man erwarten, dass es einzelne Tatbestandsmerkmale kategorisiert, weil andernfalls das strafrechtliche Analogieverbot seine Schärfe verliert.

Der Abschnitt über Analogie und Beispiel ist damit noch nicht abgeschlossen, sondern verlangt mindestens noch zwei Fortsetzungen. Die erste, in der es um Extrembeispiele und die so gennannte Defeasability of Rules geht, ist schon fertig und folgt bald.


[1] Lloyd L. Weinreb, Legal Reason. The Use of Analogy in Legal Argument, 2. Aufl. 2016, S. 4.

[2] Scott Brewer, Exemplary Reasoning: Semantics, Pragmatics, and the Rational Force of Legal Argument by Analogy, Harvard Law Review 109, 1996, 923-1028, S. 934.

[3] Hendrik Kaptein/Bastiaan Velden, Analogy and Exemplary Reasoning in Legal Discourse, 2018. Allerdings befasst sich darin nur der Beitrag von Amalia Amaya, Imitation and Analogy, S. 13-31, mit Beispielen. Bei Amaya geht es aber nicht um Fallbeispiele oder Normbeispiele, sondern um beispielgebenden Personen. Sie nutzt die aristotelische Tugendethik als Brücke, um die Imitation oder Nachahmung tugendhafter Menschen als analogieähnliche Methode zu empfehlen. Dazu hätte Amaya zitieren können: Lawrence B. Solum, Virtue Jurisprudence: A Virtue Centered Theory of Judging, Metaphilosophy 34 , 2003, 178-213.

[4] Arthur Kaufmann, Das Verfahren der Rechtsgewinnung – eine rationale Analyse, Deduktion, Induktion, Abduktion, Analogie, Erkenntnis, Dezision, Macht, 1999, S. 71.

[5]Arthur Kaufmann, Das Verfahren der Rechtsgewinnung, S. VI, 25.

[6] Wilhelm Kamlah/Paul Lorenzen, Logische Propädeutik, 3. Aufl., 1996, S. 23ff.

[7] Weinreb, Legal Reason, S. 149ff, 151.

[8] Martina Mangasser-Wahl, Prototypentheorie in der Linguistik, 2000; John R. Taylor, Prototype Theory, in: Claudia Maienborn u. a., Hg., Semantics, 2011, 643-664.

[9] Kaufmann, Das Verfahren der Rechtsgewinnung, S. 40.

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Abduktion als Induktion oder Analogie

Im Zusammenhang mit der Analogie taucht auch der Begriff der Abduktion auf, und dazu beruft man sich auf den amerikanischen Philosophen Charles S. Peirce. Auf den 5092 Seiten der Collected Papers[1] findet man den Ausdruck abduction – die Überschriften mitgezählt – 130 Mal. Peirce scheint wie besessen von der Abduktion, kann sie (mir) aber am Ende doch nicht wirklich erklären. Auch mit Hilfe der Sekundärliteratur[2] bin ich nicht klüger geworden. Mir kommt es aber auch nicht darauf an, Peirce richtig zu verstehen oder seine Texte adäquat zu interpretieren. Ich behandle die Klassiker als Steinbruch oder Werkzeugkiste, auch wenn sie, anders als Foucault, zu einer solchen banausenhaften Verwendung nicht aufgefordert haben. Der Begriff der Abduktion schwirrt nun einmal herum, so dass man ihn sich irgendwie zurechtlegen muss. Zum Putzen und Schärfen des Werkzeugs habe vielleicht schon zu viel bei Peirce und in der Sekundärliteratur nachgelesen. (Das war aber nicht langweilig.) Ich werde im Folgenden ausführlich Stellen aus den CP zitieren, mit denen ich versucht habe, mir das Problem zu vergegenwärtigen. Der geneigte Leser mag die langen Zitate (zunächst?) überschlagen.

Als Apagoge (ἀπαγωγή = lat. abductio) hatte Aristoteles in der Zweiten Analytik den Schluss vom Besonderen auf das Allgemeine bezeichnet. Peirce nimmt diesen Begriff wieder auf für ein Verfahren, das neben Deduktion und Induktion ein drittes eigenständiges Schlussverfahren bilden soll. Am Rande: Wer sich davon überzeugen möchte, dass Peirce seinen Aristoteles lesen konnte, mag eine philologische Feinheit zur Kenntnis nehmen, die ein Bochumer Autor, der Philosoph Jürgen von Kempski, ausgeleuchtet hat.[3] Peirce war nämlich der Ansicht, dass der überlieferte Aristoteles-Text korrumpiert sei[4], und von Kempski hat ihn darin bestätigt.

»There are in science three fundamentally different kinds of reasoning, Deduction (called by Aristotle {synagögé} or {anagögé}), Induction (Aristotle’s and Plato’s {epagögé}) and Retroduction (Aristotle’s {apagögé}, but misunderstood because of corrupt text, and as misunderstood usually translated abduction). Besides these three, Analogy (Aristotle’s {paradeigma}) combines the characters of Induction and Retroduction.«[5]

Im Anschluss an Deduktion und Induktion (CP 1.66 und 1.67) erläutert Peirce »Retroduktion« und Analogie. Retroduktion ist, was er an anderer Stelle als Abduktion bezeichnet:

»Retroduction is the provisional adoption of a hypothesis, because every possible consequence of it is capable of experimental verification, so that the persevering application of the same method may be expected to reveal its disagreement with facts, if it does so disagree. For example, all the operations of chemistry fail to decompose hydrogen, lithium, glucinum, boron, carbon, nitrogen, oxygen, fluorine, sodium, . . . gold, mercury, thallium, lead, bismuth, thorium, and uranium. We provisionally suppose these bodies to be simple; for if not, similar experimentation will detect their compound nature, if it can be detected at all. That I term retroduction.« (CP 1.68)

CP 1.69: »Analogy is the inference that a not very large collection of objects which agree in various respects may very likely agree in another respect. For instance, the earth and Mars agree in so many respects that it seems not unlikely they may agree in being inhabited.«

Das berühmte Bohnenbeispiel (CP 2.523), an dem Peirce den Unterschied zeigen wollte, ist dazu ungeeignet, denn es läuft auf eine Induktion hinaus.

»DEDUCTION.

Rule.–All the beans from this bag are white.

Case.–These beans are from this bag.

.·.Result.–These beans are white.

INDUCTION.

Case.–These beans are from this bag.

Result.–These beans are white.

.·.Rule.–All the beans from this bag are white

HYPOTHESIS.

Rule.–All the beans from this bag are white.

Result.–These beans are white.

.·.Case.–These beans are from this bag.«

Mi eigenen Worten: Auf dem Tisch liegt ein Sack mit Bohnen. Wenn wir seinen Inhalt schon kennen, können wir deduzieren: Alle Bohnen im Sack sind weiß. Nehmen wir also Bohnen aus dem Sack, so sind diese Bohnen weiß (Deduktion). Kennen wir die Farbe der Bohnen in dem Sack noch nicht, nehmen wir aber eine Probe und finden weiße Bohnen, so werden wir vermuten, dass auch die anderen Bohnen im Sack weiß sind. Das wäre ein (quantitativer) Induktionsschluss. Wir können unserer Sache aber erst sicher sein, wenn wir alle Bohnen im Sack auf ihre Farbe überprüft haben. Wissen wir, dass alle Bohnen im Sack weiß sind, und sehen wir daneben verstreute weiße Bohnen, so »abduzieren« wir, d. h., bilden wir die Hypothese: Die Bohnen sind aus diesem Sack. Dieses anfängliche Erraten einer Hypothese, das auf Grund unserer (allgemeinen?) Erfahrung besser ist als ein Zufallstreffer, nannte Peirce Abduktion. Abstrakt formuliert: Wir beobachten ein Phänomen, für das wir nach einer Erklärung suchen (result). Für die Erklärung braucht es eine Regel. Da eine einschlägige Regel nicht bekannt ist, stellen wir eine Vermutung an (hypothesis, presumtion). Angewendet auf die Beobachtung erklärt die hypothetische Regel den Fall (case). Damit sind wir wieder bei einer Deduktion. Aber woher haben wir unsere Regelvermutung? Dass Bohnenbeispiel legt nahe, dass es sich um eine (schwache) Induktion handelt, denn unsere Erfahrung sagt uns: Wenn neben einem Sack lose Teile liegen, stammen die häufig aus dem Sack.

Peirce legt jedoch Wert darauf, dass Induktion und Abduktion sich grundsätzlich unterscheiden. Seine Erläuterung in CP 2.632 habe ich nicht verstanden. Sein Beispiel dort hilft mir nicht:

»A certain anonymous writing is upon a torn piece of paper. It is suspected that the author is a certain person. His desk, to which only he has had access, is searched, and in it is found a piece of paper, the torn edge of which exactly fits, in all its irregularities, that of the paper in question. It is a fair hypothetic inference that the suspected man was actually the author. The ground of this inference evidently is that two torn pieces of paper are extremely unlikely to fit together by accident. Therefore, of a great number of inferences of this sort, but a very small proportion would be deceptive.«

Das Beispiel bietet sich zunächst für zwei Deduktionen an:

Regel: Wenn immer die unregelmäßigen Risskanten von zwei Papierfetzen zusammenpassen, gehören sie ursprünglich zusammen.

Fall: Hier haben wir zwei Papierfetzen, deren Risskanten zusammenpassen.

Folgerung: Die Papierfetzen sind Teil eines Blatts.

Regel: Der Text auf einem Blatt stammt von ein- und demselben Autor.

Fall: Die beiden Papierfetzen bildeten ursprünglich ein Blatt.

Folgerung: Der Text auf beiden Papierfetzen stammt von demselben Autor.

Die verwendeten Regeln können durch zwei Induktionen gewonnen werden.

Fall: Hier haben wir zwei Papierfetzen, deren Risskanten zusammenpassen.

Folgerung: Die Papierfetzen bildeten ursprünglich ein Blatt.

Regel: Wenn immer die unregelmäßigen Risskanten von zwei Papierfetzen zusammenpassen, bildeten sie ursprünglich ein Blatt.

Fall: Die Papierfetzen bildeten ursprünglich ein Blatt.

Folgerung: Der Text auf beiden Papierfetzen stammt von demselben Autor.

Regel: Der Text auf einem Blatt stammt von ein- und demselben Autor.

Peirce fährt fort:

»The analogy of hypothesis with induction is so strong that some logicians have confounded them. Hypothesis has been called an induction of characters. A number of characters belonging to a certain class are found in a certain object; whence it is inferred that all the characters of that class belong to the object in question. This certainly involves the same principle as induction, yet in a modified form. In the first place, characters are not susceptible of simple enumeration like objects; in the next place, characters run in categories. When we make an hypothesis like that about the  piece of paper, we only examine a single line of characters, or perhaps two or three, and we take no specimen at all of others. If the hypothesis were nothing but an induction, all that we should be justified in concluding, in the example above, would be that the two pieces of paper which matched in such irregularities as have been examined would be found to match in other, say slighter, irregularities. The inference from the shape of the paper to its ownership is precisely what distinguishes hypothesis from induction, and makes it a bolder and more perilous step.«

Jetzt schwenkt Peirce die Aufmerksamkeit also von den Risskanten auf die Buchstaben. Es leuchtet ein, dass man von dem Vorkommen bestimmter Buchstaben auf beiden Papierfetzen kaum auf den Autor schließen kann. Aber die Bedeutung des Beispiels für die Unterscheidung von Induktion und Hypothese = Abduktion bleibt mir verborgen.

In der elektronischen Ausgabe der CP findet man zwischen CP 2. 269 und 2.271 einen durchstrichenen Text, der nach typografischer Bereinigung wie folgt lautet:

»Abduction is a method of forming a general prediction without any positive assurance that it will succeed either in the special case or usually its justification being that it is the only possible hope of regulating our future conduct rationally and that Induction from past experience gives us strong encouragement to hope that it will be successful in the future.«

Diesen Absatz zitiert und übersetzt von Kempski, der noch mit der gedruckten Ausgabe arbeitete, als CP 2.27:

»Eine Abduktion ist eine Methode, eine allgmeine Voraussage ohne jede positive Gewßheit zu bilden, daß sie im besonderen Fall oder gewöhnlich sich bestätigen wird; ihre Rechtfertigung liegt darin, daß sie die einizige mögliche Hoffnung, unser zukünftiges Verhalten rational zu regeln, darstellt und die Induktion von früherer Erfahrung uns stark ermutigt zu hoffen, daß sie in der Zukunft erfolgreich sein wird.«

Interessant ist an dieser Stelle der Hinweis auf »die Induktion von früherer Erfahrung«. Die folgenden beiden Zitate bestätigen nur das bisher Gesagte.

CP 2.96: »Argument is of three kinds: Deduction, Induction, and Abduction (usually called adopting a hypothesis).«

CP 2.777: »Presumption is the only kind of reasoning which supplies new ideas, the only kind which is, in this sense, synthetic. Induction is justified as a method which must in the long run lead up to the truth, and that, by gradual modification of the actual conclusion. There is no such warrant for presumption. The hypothesis which it problematically concludes is frequently utterly wrong itself, and even the method need not ever lead to the truth; for it may be that the features of the phenomena which it aims to explain have no rational explanation at all. Its only justification is that its method is the only way in which there can be any hope of attaining a rational explanation.«

Unter der Überschrift »Pragmatism and Abduction« wird die Abduktion schließlich zu einem Schlüsselelement von Peirce‘ Pragmati(zi)smus (CP 5180ff), so daß Pragmatismus und Logik der Abduktion zusammenfallen«[6]

»(3) The third cotary proposition is that abductive inference shades into perceptual judgment without any sharp line of demarcation between them; or, in other words, our first premisses, the perceptual judgments, are to be regarded as an extreme case of abductive inferences, from which they differ in being absolutely beyond criticism. The abductive suggestion comes to us like a flash. It is an act of insight, although of extremely fallible insight. It is true that the different elements of the hypothesis were in our minds before; but it is the idea of putting together what we had never before dreamed of putting together which flashes the new suggestion before our contemplation.« (CP 5180)

Die ausführliche Kommentierung von Kemspkis versteht diese Stelle als Auseinandersetzung mit der Kantischen Kategorienlehre. Ich verstehe sie gar nicht, auch nicht mit Hilfe der Erläuterungen Karl-Otto Apels[7] zu den »Schleifstein-Thesen«, deren dritte ich eben zitiert habe.

Hilfreich ist dagegen der Wikipedia-Artikel Abduktion, der klarstellt, dass Peirce seine Vorstellungen über die Abduktion später (CP 8.209) geändert hat. Ich zitiere aus Wikipedia:

»Aus heutiger Sicht ist unstrittig, dass Peirce etwa bis 1898 unter dem Begriff Hypothesis zwei recht unterschiedliche Formen des Schlussfolgerns fasste, ohne dies jedoch zu bemerken (ausführlich dazu Reichertz 2013). Als ihm dieser unklare Gebrauch auffiel, arbeitete er in seiner Spätphilosophie den Unterschied zwischen den beiden Verfahren deutlich heraus und nannte die eine Operation ›qualitative Induktion‹, die andere ›Abduktion‹. Das meiste, was Peirce vor 1898 zum Thema Hypothesis geschrieben hatte, charakterisierte jedoch nicht die Abduktion, sondern die qualitative Induktion. Erst später räumt Peirce ein: ›By hypothetic inference, I mean (…) an induction from qualities‹ (CP 6.145). Grund für den Irrtum: ›Doch ich war zu sehr damit beschäftigt, die syllogistische Form und die Lehre von der logischen Extension und Komprehension zu untersuchen, die ich als weit grundlegender ansah als sie wirklich sind. Solange ich dieser Überzeugung war, vermengten sich in meiner Vorstellung von der Abduktion notwendig zwei verschiedene Arten des Schließens‹ (Peirce MS 425 – 1902). In einem Briefentwurf an Paul Carus ging Peirce mit seinen Ansichten von 1883 noch schärfer ins Gericht. ›In fast allem, was ich vor dem Beginn dieses Jahrhunderts in Druck gab, vermengte ich mehr oder weniger Hypothese und Induktion‹ (CP 8.227).

Im Spätwerk hat Peirce entsprechend die formale Struktur des Syllogismus nicht mehr benutzt, um die Abduktion zu charakterisieren. Er hat vielmehr dann das kreative Moment und die Originalität des Einfalls, der wie ein Blitz entsteht, hervorgehoben. ›Die abduktive Vermutung kommt uns blitzartig, Sie ist ein Akt der Einsicht, obwohl von außerordentlich trügerischer Einsicht. Es ist wahr, daß die verschiedenen Elemente der Hypothese zuvor in unserem Geist waren; aber die Idee, das zusammenzubringen, von dem wir nie zuvor geträumt hätten, es zusammenzubringen, lässt blitzartig die neue Vermutung in unserer Kontemplation aufleuchten‹ (CP 5.181).«

So hat Peirce den Abduktionsbegriff auf den Fall reduziert, dass zur Erklärung eine unerklärlichen = überraschenden Beobachtung eine Vermutung oder Hypothese gebildet wird. Er versichert uns immer wieder, dass in einem solchen Fall die Abduktion die eigentliche und einzige schöpferische Leistung der Wissenschaft sei.

»Abduction is the process of forming an explanatory hypothesis. It is the only logical operation which introduces any new idea; for induction does nothing but determine a value, and deduction merely evolves the necessary consequences of a pure hypothesis.

Deduction proves that something must be; Induction shows that something actually is operative; Abduction merely suggests that something may be.

Its only justification is that from its suggestion deduction can draw a prediction which can be tested by induction, and that, if we are ever to learn anything or to understand phenomena at all, it must be by abduction that this is to be brought about.

No reason whatsoever can be given for it, as far as I can discover; and it needs no reason, since it merely offers suggestions.«[8]

In die Bezeichnung als logischen Vorgang darf man nicht mehr hineinlesen, als schon in der Definition steht, eben die Aufstellung einer Hypothese. Die Zitate sollten gezeigt haben, dass Peirce großen Wert darauf legt, die Abduktion von der Induktion zu unterscheiden. Das gelingt aber nur, indem er die Induktion enger definiert als üblich. Induktion ist für ihn nicht schon die erstmalige Verallgemeinerung einer Beobachtung zu einer hypothetischen Regel, sondern sie dient erst nachfolgend dazu, die abduktiv gewonnene Hypothese mehr oder weniger wahrscheinlich zu machen.

Hier noch ein Zitat, das man wohl als das wissenschaftstheoretische Bekenntnis von Peirce ansehen darf:

»The truth of pragmaticism may be proved in various ways. I would conduct the argument somewhat as follows. In the first place, there are but three elementary kinds of reasoning. The first, which I call abduction (…) consists in examining a mass of facts and in allowing these facts to suggest a theory. In this way we gain new ideas; but there is no force in the reasoning. The second kind of reasoning is deduction, or necessary reasoning. … The third way of reasoning is induction, or experimental research. Its procedure is this. Abduction having suggested a theory, we employ deduction to deduce from that ideal theory a promiscuous variety of consequences to the effect that if we perform certain acts, we shall find ourselves confronted with certain experiences. We then proceed to try these experiments, and if the predictions of the theory are verified, we have a proportionate confidence that the experiments that remain to be tried will confirm the theory. I say that these three are the only elementary modes of reasoning there are. … Abduction furnishes all our ideas concerning real things, beyond what are given in perception, but is mere conjecture, without probative force. Deduction is certain but relates only to ideal objects. Induction gives us the only approach to certainty concerning the real that we can have. …The successes of modern science ought to convince us that induction is the only capable imperator of truth-seeking. Now pragmaticism is simply the doctrine that the inductive method is the only essential to the ascertainment of the intellectual purport of any symbol.«

Der Abduktionsbegriff ist eher verwirrend. Er erklärt gar nichts, sondern benennt nur das Phänomen einer innovativen Deutungshypothese, die »irgendwie« auf vorhandenes Vorwissen zurückgreift. Deshalb ist es kein Fortschritt, wenn der Begriff auch Eingang in die juristische Methodenliteratur findet.[9] Will man »Abduktion« dennoch begriffliches Werkzeug verwenden, so handelt es sich um nichts weiter als um eine Vermutung, die als Hypothese formuliert werden kann, um durch qualitative oder quantitative Induktion als mehr oder weniger wahrscheinlich bewiesen zu werden.

Was hat das alles mit Analogie zu tun? Bei der Abduktion geht es (nur) darum, dass eine überraschende Beobachtung eine neuartige Erklärung auslöst. Indessen kommen solche Erklärungen nicht wie ein Blitz aus heiterem Himmel, sondern werden, wenn auch ganz unsystematisch, aus Vorwissen geschöpft. Peirce sieht hier eine »Induktion von früherer Erfahrung« am Werk (CP 2.270). Induktion von früherer Erfahrung ist aber nichts anderes als eine Analogie. Noch einmal CP 1.69:

»Analogy is the inference that a not very large collection of objects which agree in various respects may very likely agree in another respect. For instance, the earth and Mars agree in so many respects that it seems not unlikely they may agree in being inhabited.«

So ist es die Analogie, welche die die innovative Hypothese auslöst, indem sie ein aus anderen Zusammenhängen vertrautes Muster aufruft.

[Fortsetzung folgt: Analogie und Beispiel.]


[1] Collected Papers of Charles S. Peirce, Bd. I-VI, 1931-1935, hg. von Charles Hartshorne und Paul Weiss, Bd, VII -VIII, 1958, hg. von Arthur W. Burks, werden hier nach der im Internet verfügbaren elektronischen Ausgabe zitiert.

[2] Karl-Otto Apel, Der Denkweg von Charles Sanders Peirce, 1975; Igor Douven, Abduction, Stanford Encyclopedia of Philosophy, 2017; Michael Hoffmann, Problems with Peirce’s Concept of Abduction, Foundation of Science 4, 1999, 271-305; Vanessa Inshakova/Alexander Goncharov, Abduction for Juridical Science and Practice, 2017, SSRN 2949793; Jürgen von Kempski, Charles Sanders Peirce und der Pragmatismus [1952], in: von Kemspki, Prinzipien der Wirklichkeit (Schriften Bd. 3), 1992, 193-309; Jo Reichertz, Die Abduktion in der qualitativen Sozialforschung, 2. Aufl. 2013; Gerhard Schurz, Die Bedeutung des abduktiven Schließens in Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie, in: Alfred Schramm (Hg.), Philosophie in Österreich 1996, 91-109.

[3] Jürgen von Kempski, C. S. Peirce und die Apagoge des Aristoteles, in: Albert Menne/Alexander Wilhelmy (Hg.), Kontrolliertes Denken: Untersuchungen zum Logikkalkül uud zur Logik der Einzelwissenschaften, Festschrift für Wilhelm Britzelmay, 1952, S. 56-64. Nachdem ich diese alte Ausgabe, in der die griechischen Aristoteles-Zitate noch von Hand eingesetzt sind, aus der Bochumer Philosophen-Bibliothek erhalten hatte, habe ich festgesellt, dass der Text in Band 3 der Ausgabe der Schriften von Kempskis wieder abgedruckt ist: Jürgen von Kempski Rakoszyn, Prinzipien der Wirklichkeit (Schriften Bd. 3), 1992, 310-319; daran anschließend [aus 1988]: Charles Sanders Peirce und die Apagoge des Aristoteles, S. 320-324.

[4] »The truth of pragmaticism may be proved in various ways. I would conduct the argument somewhat as follows. In the first place, there are but three elementary kinds of reasoning. The first, which I call abduction (on the theory, the doubtful theory, I confess, that the meaning of the XXVth chapter of the second book of the Prior Analytics has been completely diverted from Aristotle’s meaning by a single wrong word having been inserted by Apellicon where the original word was illegible) consists in examining a mass of facts and in allowing these facts to suggest a theory. In this way we gain new ideas; but there is no force in the reasoning.« (Peirce, CP 8.209):

[5] Peirce CP 1,65.

[6] Jürgen von Kempski Rakoszyn, Charles Sanders Peirce und der Pragmatismus, 1952, hier zitiert nach von Kempski, Prinzipien der Wirklichkeit (Gesammelte Schriften Bd. 3) 1962, 193-309, S. 200.

[7] Karl-Otto Apel, Der Denkweg von Charles Sanders Peirce, 1975, 297ff.

[8] Peirce CP 5.171.

[9] Z.B. bei Arthur Kaufmann, Die Rolle der Abduktion als Rechtsgewinnungsverfahren, in: Guido Britz/Heinz Müller-Dietz (Hg.), FS für Heinz Müller-Dietz, 2001, 349-360; Ralf Kölbel/Thorsten Berndt/Peter Stegmaier, Abduktion in der justiziellen Entscheidungspraxis, Rechtstheorie 37, 2006, 85-108; Manfred Kraus, Deduktion, Reduktion, Kontradiktion, Rechtstheorie 42, 2011, 417-436, S. 425; Ronen Reichman, Abduktives Denken und talmudische Argumentation, 2006, Alexander Somek, Von der Rechtserkenntnis zur Interpretativen Praxis, Rechtstheorie 23, 1992, 467-490; zurückhaltend Robert Alexy, Arthur Kaufmanns Theorie der Rechtsgewinnung., ARSP Beiheft 100, 2005, 47-66.

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Analogie – induktiv, deduktiv oder originär?

Nicht nur unter Juristen, sondern auch in der Argumentationsliteratur wird der Analogie von vielen Autoren die Qualität eines eigenständigen Arguments abgesprochen mit der Begründung, der Analogieschluss lasse sich entweder auf eine Induktion oder auf eine Deduktion oder auf eine Kombination beider Schlussweisen zurückführen. Mit Hilfe der kanadischen Philosophin Trudy Govier begebe ich mich in dieser Fortsetzung auf die Suche nach der originären Analogie. Was Govier zu sagen hat, dürfte auch Juristen interessieren. Kap. 11 ihres bereits in 7. Auflage erschienenen Lehrbuchs der Argumentation trägt die Überschrift »Analogies: Reasoning from Case to Case«.[1]

Was Aristoteles ἀναλογία nannte und mit dem Beispiel von Dionysos und Ares illustrierte, ist nicht, was wir heute gemeinhin unter einer Analogie verstehen. Der Analogie in diesem modernen Sinne entspricht bei Aristoteles eher der induktive rhetorische Beweis, das Paradigma (παράδειγμα)[2].

»Denn ich bezeichne ein … Beispiel als rhetorischen Induktionsbeweis [1365a] … . Es verhält sich aber weder wie ein Teil zum Ganzen noch wie das Ganze zu einem Teil oder das Ganze zum Ganzen, sondern wie ein Teil zu einem Teil, Ähnliches zu Ähnlichem: wenn beides unter eine Gattung fällt, das eine aber bekannter ist als das andere, liegt ein Beispiel vor. Zum Beispiel: Dionysios trachtet nach der Alleinherrschaft, weil er eine Leibwache fordert, denn auch Peisistratos forderte vorher mit derselben Absicht eine Leibwache, und als er sie erhielt, wurde er Tyrann, ebenso Theagenes in Megara. So werden auch alle anderen, die man kennt, ein Beispiel für Dionysios, von dem man noch nicht weiß, ob er die Forderung nach einer Leibwache in dieser Absicht stellt. All das läßt sich wie folgt verallgemeinern: Wer nach der Alleinherrschaft trachtet, fordert eine Leibwache.  [1357b]«[3]

Aristoteles spricht hier zwar von Induktion (ἐπαγωγή), und wählt gleich zwei Beispiele, aus denen er eine verallgemeinernde Folgerung zieht. Aber zuvor definiert er die »rhetorische Induktion« so, als ob nur von einem Einzelfall auf einen ähnlich gelagerten anderen Einzelfall geschlossen werden soll.[4] Bei Prämissen und Schlussfolgerung handelt es sich ersichtlich um empirische Aussagen. Was Aristoteles als rhetorische Induktion bezeichnete, wäre nach heutigem Sprachgebrauch eine induktive Analogie[5], die auf einer qualitativen Induktion beruht. Als induktive Analogie ist der Gedankengang noch ungenau benannt. Das Ergebnis der Analogie wird nicht direkt von der zugrundeliegenden Induktion getragen, sondern folgt erst deduktiv aus der der Anwendung der induktiv gewonnen Verallgemeinerung. Dass der Gedankengang überhaupt als Analogie bezeichnet wird, hat seinen Grund darin, dass die Verallgemeinerung nicht expliziert wird. Dadurch entsteht der Eindruck, dass die Schlussfolgerung unmittelbar von der Ähnlichkeit der Fälle getragen wird. Daher hat sich heute wohl die Auffassung durchgesetzt, dass die Alltagsform der Analogie mit einer impliziten Induktion arbeitet. Quine/Ullian sprechen von einer slurrred-over induction[6]. Folgt man dieser Interpretation, so ist die Analogie nichts weiter als eine mit nur einem Beispiel schwach begründete Induktion. Die Analogie wäre dann also

»ein aus Induktion und Syllogismus zusammengesetzte[r] Schluß. Beim Analogieschluß wird demnach zunächst induktiv ein allgemeiner Satz gewonnen, aus dem dann deduktiv der gesuchte Satz abgeleitet wird.«[7]

Trudy Govier, deren Analogiethese sogleich im Mittelpunkt stehen soll, formalisiert die induktive Analogie wie folgt

  1. A hat die Eigenschaften x, y, z.
  2. B hat die Eigenschaften x, y, z.
  3. A hat die Eigenschaft f.
  4. *Die meisten Objekte mit den Eigenschaften x, y, z haben die Eigenschaft f.
  5. Daher hat vermutlich auch B die Eigenschaft f.

(Die 4. Zeile hat Govier mit dem Sternchen versehen, weil sie selten explizit gemacht wird.)

Mit der induktiven Analogie wird also aus der Verallgemeinerung von Eigenschaften des Vergleichsobjekts deduktiv auf Eigenschaften des Analogons geschlossen.

Der Argumentwert des Analogieschlusses hängt vom Wert der Induktion ab. Nutzt die Induktion eine breite empirische Basis, so bietet die Verallgemeinerung mehr als eine bloße Vermutung, nämlich ein empirisches Gesetz. Die daraus abgeleitete Schlussfolgerung würde man in anderem Zusammenhang gar nicht als Analogie bezeichnen. In unserem Zusammenhang fällt sie in die Kategorie der vollständigen Analogien.

Hier ist eine Zwischenbemerkung zur Begrifflichkeit angesagt: Als »Gegenstände« oder »Objekte«, die in einer Analogie verglichen werden, kommt alles in Betracht, was man mit einem Wort einer Sprache bezeichnen kann, also nicht nur ein Stein oder ein Baum, eine Symphonie oder eine Theorie, eine Situation oder ein Verlauf und natürlich auch ein Rechtsfall oder ein Gesetz. Stets geht es darum, ein Objekt, mit dem man vertraut ist, mit einem anderen zu vergleichen, das eine Frage aufgibt. Das problematisierte Primärobjekt und das zum Vergleich herangezogene Sekundärobjekt werden gerne mit den Buchstaben A und B repräsentiert. Dabei ist nicht immer klar, was Primär- und was Sekundärobjekt ist. Zur Kennzeichnung des Sekundärobjekts liegt die Benennung als Analogon nahe. In diesem Sinne spricht Govier von primary subject und analogue.[8] Deshalb liegt es nahe, das Sekundärobjekt = Analogon mit dem Buchstaben A zu bezeichnen. Aber damit würde die vertraute Reihenfolge der Buchstaben (A vor B) Verwirrung stiften, weil B für das Primärobjekt stünde. Merktechnisch kann man sich vielleicht so helfen: Der Buchstabe A steht für den Ausgangsfall, den es zu klären gilt, und B für die Vergleichs-Basis. Das Analogon als Sekundärobjekt bildet eine Beurteilungsgrundlage für den Ausgangsfall.

Wieder zur Sache: Nach Ansicht der Analogie-Skeptiker lassen sich auch Gesetzesanalogien nach dem Schema der induktiven Analogie erklären. Von dem Analogon wird zunächst (induktiv?) eine Regel oder ein Prinzip – auf den Unterschied soll es nicht ankommen – abstrahiert, um dann deduktiv auf den Ausgangsfall angewendet zu werden. Wenn das zuträfe, wäre (auch?) die normative Analogie kein eigenständiges Argument.

In den bisher angeführten Beispielen nutzt die Analogie eine Induktion, die eine empirische Gesetzmäßigkeit aufgezeigt. Als Basis für den Induktionsschluss dient »die Natur«. Die quantitativ-induktive Begründung empirischer Gesetze mag theoretisch zweifelhaft sein, weil eine Letztbegründung nicht möglich ist. Praktisch folgt daraus kein Problem. Liegen der Verallgemeinerung nur Einzelfälle zugrunde, handelt es sich also um eine qualitative Induktion, so ist der Argumentwert der Analogie, mit Aristoteles gesprochen, rhetorisch und in der Ausdrucksweise der Argumentationstheorie informal oder konduktiv.

Um auch die normative Analogie als (verkappte) Induktion zu erklären, muss man die Möglichkeit induktiver Gewinnung normativer Prinzipien konzedieren. Das ist nicht unproblematisch. Verneint man diese Möglichkeit, kann man die normative Analogie immer noch als lediglich deduktives Argument aus irgendwie bekannten Prinzipien darstellen. Dann wackelt allerdings der Schwanz mit dem Hund, soll heißen, die Ähnlichkeit ergibt sich nicht aus den Fällen selbst, sondern die Fälle werden erst unter dem Prinzip als ähnlich erkannt.

Auf den ersten Blick hat es den Anschein, als ob mit einer Induktion, die zu einem normativen Satz führt, stets unzulässig vom Sein aufs Sollen geschlossen würde. Dieser Einwand trifft jedoch nicht, wenn »der Fall« nicht als Faktum, sondern als individuelles Sollensurteil des Handelnden, eines Beobachters oder Entscheiders betrachtet wird. Der Argumentationswert der Verallgemeinerung, ihre »Geltung«, hängt daher vom Vergleichsfall ab. Ausgangsfall: Soll Hundehalter HA den Kot hinter seinem Köter aufsammeln? Beobachte ich, dass Halter HB keine Anstalten macht, die Exkremente seines Hundes aufzunehmen, so kann ich daraus schließen, dass Hundehalter HA sich mit einiger Wahrscheinlichkeit ähnlich verhalten könnte. Das wäre eine empirische Induktion. Stelle ich darauf ab, dass HB seine Handlungsweise für angemessen hält und andere Hundehalter ähnlich denken dürften, bleibt die Induktion immer noch empirisch. Erst wenn ich als Beobachter schließe: HB räumt nicht ab; also braucht auch HA nicht abzuräumen (denn es gibt kein entsprechendes Gebot), wird daraus eine normative Analogie. (Beobachter kann auch der nachfolgende Hundehalter HA sein.)

Die (ethische, moralische, juristische) Qualität der normativen Induktion ist abhängig von der Qualität der im Vergleichsfall angetroffenen Norm. Das analoge Urteil über das Verhalten des HA ist nur so viel wert, wie es im Fall HB war, also taugt es nichts. Es gewinnt auch nicht unbedingt durch die Zahl beobachteter Fälle. Anders als auf der Ebene der Empirie ist eine normativ quantitative Induktion nicht besser als die qualitative. Die quantitative Induktion kann Normalität anzeigen. Aber Normalität ist nicht ohne weiteres gut. »Analoges« gilt, wenn es um die Entscheidung von Fällen geht. Wurde im Basisfall entschieden, dass b sein soll, so hat der Induktionsschluss, dass b auch im ähnlichen Vergleichsfall gilt, nur eine von dem Entscheider des Ausgangsfalls abgeleitete Gültigkeit. Hätte also im Vergleichsfall das (längst aufgelöste) Amtsgericht Tönning entschieden, dass HB nicht verpflichtet war, hinter seinem Hund aufzusammeln, weil das gegen die Würde des aufrechten Ganges verstößt, so könnte man induktiv auf die Regel schließen, dass Hundehalter nicht verpflichtet sind, die Hinterlassenschaften ihrer Lieblinge zu beseitigen. Aber als Präjudiz wäre die Regel ohne großen Wert, und zwar nicht, weil sie in der Sache nichts taugt, sondern weil das Amtsgericht Tönning keine bedeutende Autorität darstellt (obwohl ich selbst dort Referendar war). Doch ganz gleich, wieviel die induktiv gewonnene Norm taugt: Ihre (analoge) Anwendung auf den Ausgangsfall fordert noch eine Deduktion.

Trudy Govier nun wendet sich dagegen, dass eine bestimmte Art normativer Analogie, die sie als A-Priori-Analogien benennt, als induktive und damit auch nicht als Verbindung eines induktiven mit einem deduktiven Argument zu erklären sei.[9] Govier begründet zunächst die Benennung damit, dass es für den Wert des Arguments nicht darauf ankomme, ob als Analogon ein realer oder nur ein hypothetischer Fall diene.[10]

»If we accept the conclusion of an a priori analogy we do not, in effect, predict that a feature will or may belong to the primary subject. Rather we decide to describe or treat the primary subject in some way. The basis of a priori analogies is an appeal to handle relevantly similar cases in relevantly similar ways. The merits of such arguments don’t depend on the truth of empirical observations about the analogue case and the conclusion isn’t one which could someday be conclusively verified or falsified by empirical observation. Hence the term ›a priori analogy‹.«[11]

Die Verwendung hypothetischer Fälle erinnert den Juristen an die Argumentationsfigur, die Lawrence B. Solum als Hypothetical umreißt.[12] Darauf wird in einem späteren Abschnitt über Analogie und Beispiel zurückzukommen sein. Ein berühmtes Hypothetical, das auch Govier anführt, stammt von Judith J. Thompson[13]: Eine Frau wird gekidnappt und ihr Kreislauf mit dem eines Meistergeigers verbunden, dessen Nieren versagt haben. Es wird neun Monate dauern, bis eine Dialysemöglichkeit geschaffen ist. Nun hängt das Leben des Geigers von der Entscheidung der Frau ab, ob sie die Verbindung wieder trennt, so wie das Leben des ungeborenen Kindes von der Entscheidung der Mutter, ob sie es abtreiben lässt. Es gibt viele Gründe, diese Analogie nicht für tragfähig zu halten. Dass der Vergleichsfall nur erfunden ist, ist für sich genommen kein solcher Grund. Für den Argumentwert ist aber wichtig, dass der Fall an moralische Intuitionen appelliert. Solum würde ihn als wild case und intuition pump[14] einordnen.

Die induktive Analogie funktioniert, wenn die Induktion im Hintergrund in der Verallgemeinerung einer empirischen Beobachtung besteht, auch wenn es sich dabei nur um einen Einzelfall handelt. Aus der induktiv gewonnenen Verallgemeinerung von Eigenschaften des Vergleichsobjekts wird deduktiv auf Eigenschaften des Analogons geschlossen. Anders, so Govier, wenn der Vergleichsfall nicht empirisch, sondern nur »hypothetisch« ist. Was gemeint ist zeigen ihre Beispiele. Dabei handelt es sich nämlich darum, dass der von Govier angesprochene Urteiler sich ein eigenes moralisches Urteil über den Vergleichsfall bildet und dieses Urteil auf den ähnlichen Ausgangsfall überträgt. Die Analogie bezieht sich hier also nicht auf die Bewertung oder Entscheidung anderer Urteiler, sondern auf das originär gebildete Urteil des zum Vergleich aufgerufenen Betrachters. Hier Goviers Beispiel Nr. 3 (weil es das kürzeste ist):

»Smoking is no more a sin than wearing high heel spike type shoes. These also are dangerous to your health and they destroy the property of others. Have you seen hardwood floors after a woman has walked over them in spike heels?« [15]

Man könnte wohl die Analogie von Fall B auf Fall A als deduktives Argument darstellen, wenn für alle Fälle mit ähnlichen Eigenschaften ein universal claim U gelten sollte. Diese von ihr abgelehnte Position formuliert Govier wie folgt[16]:

  1. Wir stimmen in der Beurteilung des Falles B überein.
  2. Der Grund dafür ist vermutlich, dass wir das Prinzip U akzeptieren.
  3. Auch der Fall A fällt unter das Prinzip U.
  4. Daher ist es konsequent, den Fall A ebenso wie Fall B zu beurteilen.

Govier ist mit ihrem Kritiker Waller darin einig, dass ein solches Prinzip bei vielen Analogien nicht explizit gemacht wird. Aber es müsste doch jedenfalls erkennbar sein. Ein Prinzip lässt sich allein aus den Eigenschaften des Analogons als Fall nicht ableiten. Daher sollte es fallunabhängig gelten. Zwar kann man stets darüber reflektieren, ob sich ein Prinzip finden lässt, dass die Bewertung des Basisfalles begründet. In Goviers Beispielen ist die Entdeckung des Prinzips, wenn es denn eines gibt, schwerer als eine unmittelbare Bewertung der Fälle. Das gilt gerade auch dann, wenn die Beurteilung der Vergleichsfälle wie in den von Govier herangezogenen Beispielen ambivalent ausfällt. Die Ähnlichkeit der Fälle drängt sich auf, ohne dass man ein Prinzip vor Augen hätte. Eindeutig scheint nur zu sein, dass beide Fälle wegen ihrer Ähnlichkeit gleich beurteilt werden sollten, ohne dass es dazu des Rückgriffs auf ein Prinzip oder eine Regel bedürfte. Consistency – Konsistenz – ist für Govier der Antrieb zur Analogie, der auch ohne Prinzip wirksam ist. Wollte man sich bemühen, aus der Beurteilung von Fall A erst ein Prinzip zu extrahieren, um es auf Fall B anzuwenden, würde man auf die eigentümliche Überzeugungskraft der Analogie verzichten.

»Treating relevantly similar cases similarly is a fundamental aspect of rationality.«[17]

Der Jurist möchte annehmen, dass dem Konsistenzerfordernis besser durch (allgemeine) Regeln und Prinzipien gedient ist als durch den Fallvergleich. Govier nimmt diesen Juristen-Bias als Beleg dafür, wie fundamental das Bestreben nach konsistenter Beurteilung sei. Unklar bleibt, ob das Streben nach Konsistenz einem apriorischen Erfordernis der Vernunft entspricht, ob es sich um ein psychisches Phänomen handelt oder ob es (nur) in einer sozialen, moralischen oder ethischen Norm begründet ist. Man kann vielleicht fragen, ob nicht »das Leben viel bunter und schöner [wäre], wenn nicht ähnliche Fälle ähnlich behandelt würden, sondern jeweils der Phantasie freier Lauf gelassen würde«, bekäme eine positive Antwort aber wohl nur aus der Ästhetik.[18] Das Konsistenzerfordernis lässt sich jedenfalls nicht in Abrede stellen. Man kann nur fragen, ob es sich ursprünglicher bei der Fallbetrachtung zeigt oder im Umgang mit Regeln und Prinzipien.

Damit steuert die Suche nach der originären Analogie auf einen Gesichtspunkt zu, der weder von Govier und noch, soweit ich sehe, von anderen im Zusammenhang mit der Analogie erörtert wird, auf die Frage nämlich, ob in rebus moralibus der Einzelfall Vorrang vor der Theorie besitzt oder ob es umgekehrt liegt. Govier behauptet der Sache nach, dass die Betrachtung eines Falles zu einem singulären Verpflichtungsurteil führen kann, dass sich auch in einem ähnlichen Fall bewährt. Diese Frage wird in der Moralphilosophie als Gegensatz zwischen Partikularismus und Generalismus verhandelt.[19] Zu einer fundierten Stellungnahme sehe ich mich nicht in der Lage, zumal ich als Jurist an einem Generalisierungs-Bias leiden dürfte. Auf den ersten Blick würde ich sagen, dass die zunächst klar und eindeutig erscheinende Bewertung eines Einzelfalls stets noch einmal an eventuell einschlägigen Prinzipien überprüft werden muss und dass umgekehrt eine moralische Theorie anzupassen ist, wenn sie nicht zu einer zufriedenstellenden Entscheidung eines Einzelfalles führt. Es bleibt auch dabei, dass man bei schwierigen Fällen nach einem fallunabhängigen Prinzip zu ihrer Beurteilung suchen wird. Wichtig ist aber, dass Einzelfälle einen Eindruck machen, der auch ohne Rückgriff auf eine Regel in einem ähnlichen Fall wiederkehrt. Das hat vermutlich damit zu tun, dass konkrete Fälle eher Gefühle ansprechen als abstrakte Regeln. Abstrakt lässt sich beinahe teilnahmslos über Gut und Böse, Gleichheit und Ungleichheit, Recht und Unrecht reden. Man empört sich nur über relativ konkrete Beispiele.[20] Die Frage ist, ob dieser Effekt die Analogie als eigenständiges Argument retten kann.

Diese Überlegung gibt Anlass, näher über das Verhältnis von Analogie und Beispiel nachzudenken. Zuvor ist jedoch ein Exkurs zur Abduktion angezeigt, weil dieses Stichwort in der Diskussion um Analogien immer wieder auftaucht.[21]


[1] Trudy Govier, A Practical Study of Argument, 7. Aufl., 2014. Den eigenständigen Charakter des Analogiearguments verteidigt auch André Juthe, ­A Defense of Analogy Inference As Sui Generis, Logic and Logical Philosophy , 2019, 1. Ich habe Juthes Text bisher nur überflogen.

[2] Das ist der griechische Ausdruck für Beispiel oder Vorbild (Menge-Güthling, Griechisch-deutsches Wörterbuch, 3. Aufl. 1913, S. 519).

[3] Aristoteles, Rhetorik, Übersetzung von Georg Krapinger, 1999, S. 13, 17.

[4] Christof Rapp in: ders./Klaus Corcilius (Hg.), Aristoteles-Handbuch, 2. Aufl. 2021, S. 330.

[5] Diese Sprachgebrauch geht zurück auf Stephen Francis Barker, The Elements of Logic, 1965.

[6] Willard van Orman Quine/Joseph Silbert Ullian, The Web of Belief, 2. Aufl. 1978, S. 57.

[7] Ulrich Klug, Juristische Logik, S. 109.

[8] Trudy Govier, A Practical Study of Argument, 7. Aufl. 2014, 318.

[9] Trudy Govier, Analogies and Missing Premises, Informal Logic 11, 1989, 141-152; dies., Reply: Should A Priori Analogies Be Regarded as Deductive Arguments?, Informal Logic 22, 2002, 155-157; dies., A Practical Study of Argument, 7. Aufl. 2014. S. 327f. Govier verteidigt ihre Ansicht insbesondere gegen Bruce N. Waller (Classifying and Analyzing Analogies, Informal Logic 21, 2001, 199-218). An Goviers These schließt eine umfangreiche Diskussion, die das Thema nicht voranbringt (z. B. James B. Freeman, Govier’s Distinguishing A Priori from Inductive Arguments by Analogy: Implications for a General Theory of Ground Adequacy, Informal Logic 33, 2013, 175-194; Manfred Kraus, Arguments by Analogy (and What We Can Learn about Them from Aristotle), in: Frans H. van Eemeren/Bart Garssen (Hg.), Reflections on Theoretical Issues in Argumentation Theory, 2015, S. 171-182).

[10] Dennoch bleibt die Benennung als A-Priori-Analogie unglücklich, weil sie falsche Assoziationen weckt.

[11] Govier, Informal Logic 11, 1989, 142f.

[12] Lawrence B. Solum, Legal Theory Lexicon 003: Hypotheticals, 2021.

[13] Judith Jarvis Thompson, In Defense of Abortion, Philosophy & Public Affairs 1, 1971, 47-66.

[14] Dafür verweist Solum auf das Buch von D. C. Dennett, Intuition Pumps and Other Tools for Thinking, 2013.

[15] Govier, Informal Logic 11, 1989, 143f.

[16] Govier, Reply, Informal Logic 22, 2002, 155.

[17] Govier, A Practical Study of Argument, S. 320.

[18] Peter Mengel, Analogien als Argumente, 1995, S. 50.

[19] Zu dieser Frage Lawrence B Solum, Legal Theory Lexicon 067: The Priority of the Particular; ferner: Dominik Düber/Michael Quante, Prinzipien, Prinzipienkonflikte und moralischer Partikularismus, Preprints and Working Papers of the Centre for Advanced Study in Bioethics Münster 2016/85; Jan Gertken, Partikularismus vs. Generalismus, in: Michael Kühler/Markus Rüther (Hg.), Handbuch Handlungstheorie, 2016, 294-298; Erica Haimes/Robin Williams, Sociology, Ethics, and the Priority of the Particular: Learning from a Case Study of Genetic Deliberations, The British Journal of Sociology 58, 2007, 457-476; Marco Iorio, Regeln, moralischer Partikularismus und die Bewertung von Regelwerken, in: Philipp P. Thapa u. a. (Hg.), Umwelt – Gründe – Werte, 2019, 39-50.

[20] Auf diesen Zusammenhang bin ich aufmerksam geworden durch Emily Kidd White, Emotions and Precedent, Preprint aus Endicott/Lewis/Kristjansson (Hg.), Philosophical Foundations of Precedent (Oxford University Press), verfügbar unter https://ssrn.com/abstract=4098653.

[21] Z. B. auch bei Trudy Govier, Reply: Should A Priori Analogies Be Regarded as Deductive Arguments?, Informal Logic 22, 2002, 155-157.

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