Der Begriff der Analogie geht in das griechische Altertum zurück.[1] Dort gebrauchte ihn wohl zuerst Archytas von Tarent, ein älterer Zeitgenosse Platons, und zwar für mathematische Proportionen wie die Gleichung A:B = B:C. Aristoteles sprach zwar weiter von der Analogie als Proportion, verwendete diesen Ausdruck aber nicht mehr quantitativ, sondern in einem übertragenen Sinne qualitativ. Juristen ist geläufig, dass Aristoteles in der Nikomachischen Ethik die Gerechtigkeit ausführlich als »etwas Proportionales« behandelt hat.[2] Wenn es um Analogien geht, zitiert man jedoch meistens seinen berühmten Vergleich des Bechers des Dionysos mit dem Schild des Ares aus der »Poetik«:
»Analogie nenne ich es, wo das zweite sich zum ersten verhält wie das vierte zum dritten. Dann wird an Stelle des zweiten das vierte gesagt oder an Stelle des vierten das zweite. Und gelegentlich wird auch beigefügt, auf was es sich bezieht und wofür es gesetzt ist. So verhält sich etwa der Becher[3] zu Dionysos wie der Schild zu Ares. Dann wird man den Becher ›Schild des Dionysos‹ nennen und den Schild ›Becher des Ares‹. Oder wie das Alter sich zum Leben verhält, so verhält sich der Abend zum Tage. Man wird also den Abend ›Alter des Tages‹ nennen und das Alter ›Abend des Lebens‹ oder wie Empedokles ›Sonnenuntergang des Lebens‹.« [4]
Dieses Beispiel werden wir alsbald als eine unvollständige proportionale Analogie einordnen. Was wir heute gewöhnlich als Analogie ansprechen, war bei Aristoteles der induktive rhetorische Beweis, das Paradigma (dazu später unter X). Zuvor sollen jedoch einige Grundzüge der Objekterkennung und Kategorisierung angedeutet werden, weil sie Voraussetzung der Ähnlichkeitswahrnehmung sind.
[1] Einen ausführlichen Überblick über ältere psychologische Theorien der Analogiebildung gibt Robert J. Sternberg, Intelligence, Information Processing, and Analogical Reasoning, 1977, S. 101-133.
[2] Klaus F. Röhl, Die Gerechtigkeitstheorie des Aristoteles aus der Sicht sozialpsychologischer Gerechtigkeitsforschung, 1992.
[3] Manfred Fuhrmann übersetzt den griechischen Ausdruck φιάλη als Schale. Das ist zwar hinsichtlich der von Aristoteles verwendeten Vokabel korrekter. Dennoch trifft die Übersetzung Gigons als Becher die Sache besser, ist doch das Attribut, mit dem Dionysos bildlich dargestellt wurde, der κάνθαρος, der zweihenklige Weinbecher.
[4] Poetik, Kap. 21. Übersetzung von Olof Gigon, 1961, S. 55.