Selbstverwaltung der Justiz ist wieder Thema

Am. 7. und 8. November gibt es in der Universität Frankfurt a. M. eine Tagung »Zur richterlichen Unabhängigkeit in Europa – Modelle von Selbstverwaltung und Selbstverantwortung«. Ich nehme das zum Anlass, meinen Aufsatz »Selbstverwaltung für die Dritte Gewalt«, der 2002 in der Juristenzeitung (S. 838-847)  erschienen ist, hier ins Netz zu stellen: roehl_selbstverwaltung2

Bei dieser Gelegenheit: Ich habe eine Sammlung von Materialien und Kopien zum Thema Justizverwaltung (Court Management) aus den letzten 20 Jahren — etwa zwei Umzugskartons — sowie die Deutsche Richterzeitung von 1955 bis 2001 (gebunden) abzugeben. Abholung in Bochum ist erforderlich.

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Ersetzen Klasse und Kasse die Didaktik? (Wo bleibt die Rechtsdidaktik? Teil III)

Im ersten Beitrag wurde das Fehlen einer expliziten Rechtsdidaktik beklagt, aber zugleich bemerkt, dass die Sache in den juristischen Fakultäten keineswegs unter den Tisch gekehrt wird, sondern im Gegenteil viele Anstrengungen zur Verbesserung der Lehre unternommen werden. Leider bleiben diese Anstrengungen weitgehend lokal begrenzt und werden kaum reflektiert, evaluiert und publiziert. In der Folge wird an vielen Stellen immer wieder neu zwar nicht das Rad, aber vielleicht eine kleine Schraube erfunden. An dieser Stelle lässt sich das Problem nicht lösen. Ich kann hier nur einschlägige Informationen mitteilen, auf die ich mehr oder weniger zufällig aufmerksam werde.

Die Bucerius Law School glänzt mit Examensergebnissen. Nach den Angaben auf der Internetseite lag die Durchschnittsnote der im Jahr 2006 geprüften Kandidaten bei über 10 Punkten (»voll befriedigend«), der Bundesdurchschnitt dagegen bei 6 Punkten (»ausreichend«). Rund drei Viertel aller bisherigen Absolventen haben 2006 ein Prädikatsexamen, im Bundesdurchschnitt dagegen nur 22 %. Die durchschnittliche Studiendauer lag bei 8 Semestern, der Bundesdurchschnitt dagegen bei 10,4 Semestern. Das sind eindrucksvolle Zahlen.

Vermutlich hat dieser großartige Erfolg viele Ursachen. Drei drängen sich auf: bessere Studenten, bessere Dozenten und größere Ressourcen. Anscheinend gelingt es, die besten Studenten anzuziehen und auszuwählen. Die Bucerius Law School nimmt für sich in Anspruch, unter den privaten Hochschulen mit fast 10 % den höchsten Anteil an Stipendiaten der Studienstiftung des Deutschen Volkes zu haben. Davon können staatliche Universitäten nur träumen.

Was die Professoren angeht, so kommt es hier eher auf ihre Leistungen in der Lehre als in der Forschung an, mag beides auch bis zu einem gewissen Grade zusammenhängen. Mich interessiert die Frage, ob die Hamburger über ein besonderes didaktisches System oder gar Rezept verfügen. Immerhin haben sie ein Zentrum für Juristische Didaktik. Es bereitet auf die im Staatsexamen geforderten Schlüsselqualifikationen vor. Vor allem aber konzipiert und organisiert es ein Examensvorbereitungsprogramm, das den Besuch eines Repetitors überflüssig machen soll. Und das scheint auch zu gelingen. Es wäre ja auch unerträglich, wenn die Studenten neben ihren Studiengebühren noch einen Repetitor bezahlen müssten.

Das Vorbereitungsprogramm beginnt nach der Rückkehr der Studierenden aus dem Ausland im achten Trimester mit Brückenkursen, die den bisher gelernten Stoff des Grundstudiums wieder auffrischen. Es folgt das »Kernprogramm«, in dem in einer Zeit von zehn Monaten der examensrelevante Stoff in intensiver Form vermittelt und eingeübt wird. An die schriftliche Prüfung schließt sich dann eine »Coaching-Phase« mit speziellen Veranstaltungen und Prüfungssimulationen zur Vorbereitung auf die mündliche Prüfung an.

Man wüsste gerne mehr über Inhalt und Methode dieses Programms. Veröffentlichungen darüber habe ich nicht gefunden. Wenn es didaktische Fortschritte gibt, sollte die Bucerius Law-School sie nicht als Betriebsgeheimnis behandeln, sondern die staatlichen Fakultäten daran teilhaben lassen, denn immerhin sind Existenz und Erfolg der Law School überhaupt nur auf der Basis staatlicher Vorleistungen denkbar. Vielleicht besteht das Geheimnis auch nur darin, dass man im Mittelbau über größere personelle Ressourcen verfügt, die den Repetitor ersetzen können. Bedeutsam für den Erfolg ist außerdem sicher eine stärkere Motivation, die die Studenten aus der ihnen zugeschriebenen Eliterolle beziehen. Im Übrigen darf man davon ausgehen, dass der Erfolg auf der Auswahl besonders qualifizierter Studenten beruht.

Konkurrenz hebt das Geschäft. So ist es vermutlich kein Zufall, dass auch die staatliche Hamburger Fakultät für Rechtswissenschaft besondere didaktische Anstrengungen unternimmt. Dazu hat sie einen »Think Tank Lehre« eingerichtet. Es handelt sich um ein Beratungsgremium des Dekanats zur Fortentwicklung und Verbesserung von Lehre und Studienbedingungen. Auf der Webseite steht an erster Stelle ein »Modellprojekt Hausaufgaben«. Ferner werden folgende Aktivitäten erläutert: Projekt zur Verzahnung von Arbeitsgemeinschaften und Vorlesungen, Empfehlungen zur Weiterentwicklung des Wahlschwerpunktstudiums und die Einführung eines Feedback-Management Lehre. Es tut sich also etwas.

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Kripkoquinose und andere Krankheiten

Seit 2004 veranstalten Matthias Jestaedt und Oliver Lepsius abwechselnd in Erlangen und in Bayreuth das Interdisziplinäre Franken Forum. Kürzlich habe ich dort einen Vortrag gehalten. Mein Thema lautete etwas rätselhaft »Es ist ja alles richtig, stimmt aber nur zur Hälfte: Zum Verhältnis von Rechtstheorie und Wissenschaftstheorie«. Der Vortrag wandte sich gegen den Import eines fundamentalistischen Antifundamentalismus in Rechtstheorie und Methodenlehre. Als »Importeure« habe ich in dem Vortrag bestimmte Richtungen postmoderner Rechtsphilosophie verantwortlich gemacht. Die habe ich mit einem kleinen Schaubild vorgestellt, das ich hier vorzeige:

Ein Handzettel mit ausführlichen Stichworten kann hier als PdF heruntergeladen werden:  Roehl Handzettel Erlangen-Vortrag. Das vollständige Manuskript werde ich demnächst auf meiner Webseite einstellen.

Von links: Lepsius, Jestadt, Röhl

Von links: Lepsius, Jestaedt, Röhl

Weitere Bilder von der Veranstaltung unter diesem Link.

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Rechtssoziologie hilft Karrierepaaren

Rechtssoziologen sind leicht defätistisch, wenn es um die Relevanz ihrer Arbeit für die Praxis geht. Auf den ersten Blick ist der Erfolg ihrer Bemühungen in der Tat selten gleich erkennbar. Bei einer Nachschau zeigt sich aber, dass viele Themen, die von der Rechtssoziologie behandelt wurden, im Abstand von 10 oder zwanzig Jahren in Rechtspolitik und Rechtspraxis wieder auftauchen. Nachdem die Rechtssoziologie Zugangs- und Erfolgsbarrieren aufgezeigt hatte, gab es erhebliche Anstrengungen, den Zugang zum Recht zu verbessern, in Deutschland etwa durch die Reform des Armenrechts zur Prozesskostenhilfe und den Ausbau der Beratungshilfe. Nachdem Rechtssoziologie schon vor 30 Jahren die Unzulänglichkeiten justizieller Konfliktlösung beschrieben und auf Alternativen zum Recht und zur Justiz hingewiesen hatte, redet heute alle Welt von Mediation. Solche »späten Früchte« sind nicht unproblematisch, denn in aller Regel wird soziologisches Wissen auf dem Wege zur Praxis trivialisiert (Tenbruck), und, wenn es dort angekommen ist, hat sich die Gesellschaft längst weiter entwickelt. Was etwa den Zugang zum Recht betrifft, so türmt sich heute mit der E-Bürokratie in Wirtschaft, Verwaltung und Justiz eine neue Zugangsbarriere auf; und die Justiz selbst macht durch das im Zuge der Ökonomisierung auch dort vordringende Effizienzdenken schon Erreichtes wieder zunichte. Hier ein Beispiel, wo Rechtssoziologie bei einem engeren Thema vorausgegangen ist und die Praxis heute nachfolgt. Dabei lässt sich freilich nicht unterscheiden, ob hier Kausalität oder nur der Zeitgeist am Werke ist.

Die Ruhr-Universität Bochum hat ein neues Gleichstellungskonzept verabschiedet, das die Chancengleichheit von Frauen und Männern verbessern soll. Darin heißt es:

»Um hervorragende Frauen für wissenschaftliche Spitzenpositionen gewinnen und halten zu können, setzt die RUB auf die Umsetzung eines Konzeptes für ›Dual Career Couples.‹«.

Dazu wird näher ausgeführt:

»Seit 2005 verstärken sich die Dual Career Maßnahmen an der RUB. In Berufungs- und Bleibeverhandlungen wird zunehmend auch die Beschäftigungsmöglichkeit für den Partner/ die Partnerin problematisiert. Dabei ist es nicht immer so, dass es um ›gleiche‹ Dual Career Chancen geht, die Qualifikation eines Paares ist in der Regel unterschiedlich, auch wenn beide im wissenschaftlichen Bereich arbeiten. Umso erfreulicher ist es, dass bereits einmal eine Bleibeverhandlung erfolgreich war, weil der Partner der Wissenschaftlerin, die zwei auswärtige Rufe erhalten hatte, für eine Professur in Bochum gewonnen werden konnte. Zwei weitere Fälle konkretisieren sich in den nächsten Monaten und haben gute Aussichten auf Erfolg. Natürlich müssen auch die inhaltlichen Erfordernisse stimmig sein: Kein Professor/ keine Professorin kann so gut ein, dass eine Universität eine Partnerin/ einen Partner akzeptieren würde, der / die in ihrer wissenschaftlichen Arbeit nur mäßig ausgewiesen ist. Nach wie vor gilt die Bestenauslese, und der wissenschaftliche Hintergrund des Partners/der Partnerin muss zu dem passen, was eine zu besetzende Professur erfordert. Dual Career an der RUB kann auch bedeuten, der Partnerin, die aufgrund der Elternzeit noch nicht so qualifiziert ist wie der zu Berufene, eine Postqualifikationsstelle oder eine befristete Stelle zur wissenschaftlichen Tätigkeit anzubieten, um die eigene Qualifikation zu fördern und ggf. auf eine Dauerbeschäftigung und/oder eine Professur hinzuarbeiten. Auch dieses Angebot hat die RUB der Frau eines Wissenschaftlers gemacht und hat der Partnerin die Möglichkeit gegeben, nach der Promotion in Teilzeit die eigene Wissenschaftskarriere weiter zu verfolgen. Dual Career an der RUB bedeutet schließlich auch, den Partnerinnen und Partnern von Professoren und Professorinnen ein Angebot zu machen, die nicht im wissenschaftlichen Bereich tätig sind, aber an der Universität oder im Umfeld der Universität oder der Stadt eine berufliche Zukunft aufbauen wollen. Auch hier war die RUB bereits mehrfach erfolgreich. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Dual Career eine wichtige Maßnahme ist, um hoch qualifizierte Professorinnen und Professoren zu gewinnen oder zu halten. Es handelt sich jedoch auch jedes Mal um spezifische Einzelfälle, der sich nicht in ein Konzept pressen lassen.«

1994/95 wurde am Lehrstuhl für Rechtssoziologie und Rechtsphilosophie das sog Coplacement-Projekt durchgeführt. »Living apart together«, also die Frage, wie die betroffenen Paare eine berufsbedingte räumliche Trennung verarbeiten, war damals längst ein viel beredetes Thema. Wir wollten uns jedoch mit der Frage beschäftigen, wie Arbeitgeber mit Karrierepaaren umgehen, ob und in welcher Weise sie bei Einstellung, Beschäftigung und betriebsbedingter Versetzung auf den berufstätigen Partner Rücksicht nehmen. Unsere Hoffnung war, dass personalpolitische Maßnahmen im Sinne eines Coplacement im Interesse der Arbeitgeber liegen könnten und nicht durch Antinepotismusregeln abgewehrt zu werden bräuchten.

Nachdem ein für das Projekt eingestellter Arbeitswissenschaftler unter Mitnahme einiger Werkzeuge fahnenflüchtig geworden war, wurde das (von der DFG geförderte) Projekt von der Psychologin Diane Lange bearbeitet. Frau Lange hat auch den Abschlussbericht verfasst: Probleme räumlicher Mobilität beruflich hochqualifizierter Paare, vervielf. Manuskript, Bochum, 1997; ferner ist aus dem Projekt eine Dissertation entstanden: Susanne Jorg, Rechtliche Rahmenbedingungen zur räumlichen Mobilität beruflich hochqualifizierter Paare; Peter Lang Verlang, Frankfurt a. M., 1999. (Es gibt noch einige Exemplare des Abschlussberichts, die auf Anforderung übersandt werden.)

Wir trafen bei Arbeitgebern und Unternehmensberatern auf eine erhebliche Aufgeschlossenheit für das Thema, aber gleichzeitig auf ein noch größeres Defizit bei der Umsetzung in personalpolitische Strategien. Welche Strategien hier in Betracht kommen, zeigt folgende Übersicht aus dem Abschlussbericht:

Übrigens: Es gab Zeiten, da waren die Frauen von drei Professoren der Bochumer Juristenfakultät gleichzeitig am Landgericht Bochum als Richterinnen tätig. Das ließ sich »damals« (Ende der 70er Jahre) noch alles informell arrangieren. Das waren noch Zeiten. Als damals die Vertretungsregelung im Geschäftsverteilungsplan drei Richterinnen in einer Kammer zusammenführte, kommentierte der Landgerichtspräsident: »Drei Frauen in einer Kammer – na ja, die werden wohl auch nach Recht und Gesetz entscheiden.«

Nachtrag vom 12. 10. 2009:
Jetzt haben auch Exzellenzinitiativen das Thema entdeckt: http://www.uni-konstanz.de/hinz/?cont=dcc&lang=de

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Dritte Auflage der Allgemeinen Rechtslehre erschienen

Im September ist die 3. Aufl. der Allgemeinen Rechtslehre erschienen. Mitautor ist Prof. Dr. Hans Christian Röhl, Universität Konstanz. Das Buch hat einen Textumfang von 674 Seiten. Dazu kommen 23 Seiten Register. Der Preis beträgt 42,00 €. Im Klappentext heißt es dazu:

Wer das Jurastudium beginnt, steht vor einer erdrückenden Fülle des Stoffes. Deshalb ist es immer wieder überraschend, wie schnell und sicher erfahrene Juristen sich mit neuen Rechtsfragen oder gar in fremden Rechtsordnungen zurechtfinden. Dabei hilft ihnen ein Bestand von Grundbegriffen und Denkfiguren, die oft gar nicht ausformuliert oder in abstrakter Rechtstheorie versteckt sind und auch kaum besonders gelernt, sondern nur durch lange Übung erworben werden.

Die Allgemeine Rechtslehre beschreibt diese Hintergrundtheorien der Jurisprudenz und führt sie mit Rechtstheorie und Rechtssoziologie zusammen. Das Ergebnis ist ein Allgemeiner Teil des Rechts und der Rechtswissenschaft, der nicht nur ein Leitfaden durch den Dschungel des positiven Rechts sein möchte, sondern auch eine Grundlage für die wissenschaftliche Beschäftigung bietet.

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