Nun hat auch die Ruhr-Universität ihr Zentrum für Gender Studies

Nach einer Pressemitteilung vom Monatsanfang gründet die Ruhr-Universität das Marie-Jahoda-Center for International Gender Studies. Es soll von der Professorin Katja Sabisch aus der Fakultät für Sozialwissenschaft geleitet werden.

In der Pressemitteilung heißt es, die Geschlechterforschung an der RUB blicke auf eine mehr als drei Jahrzehnte währende Geschichte. Da darf ich wohl an den Anfang erinnern. Immerhin nehme ich für mich in Anspruch, der erste Frauenforscher an der Ruhr-Universität gewesen zu sein, indem ich 1985/86 den »Frauenbericht für die Stadt Bochum« organisiert habe. Das war in einer Zeit, als Gleichberechtigung durch Gesetz auf dem Programm stand und Bund, Länder und Kommunen Frauenberichte anfertigen ließen und Frauenbeauftragte einsetzten. Unser Bericht sollte die Entscheidung über die Einrichtung einer Frauengleichstellungsstelle nach § 68 Abs. 4 der Gemeindeordnung NW vorbereiten.

Ich selbst habe damals nur Einleitung und Zusammenfassung geschrieben. Den Rest haben 24 Mitarbeiter geleistet, darunter 21 Frauen. Ich will hier jedenfalls den ersten Absatz der Einleitung zitieren, denn er ist heute ein Zeitdokument:

»Kennzeichnend für die Situation der Frauen in Bochum ist der Umstand, daß mit der Anfertigung dieses Berichts ein Mann beauftragt wurde. Das liegt nicht daran, daß es in Bochum keine Frau gab, die diese Aufgabe hatte übernehmen können. Tatsachlich ist die Mehrzahl der Beiträge zu diesem Bericht von Frauen geleistet worden. Es fehlte aber anscheinend eine Frau in einer hinreichend hervorgehobenen Position, die zugleich mit den notwendig technischen und organisatorischen Mitteln ausgerüstet war. Sicher kamen dafür nicht nur Universitätsprofessoren in Betracht. Die Zahlen sprechen jedoch hier eine besonders klare Sprache. Unter 2S0 ordentlichen Professoren der Ruhr – Universität waren nur drei Frauen, darunter eine einzige außerhalb der medizinischen Fakultät.«

Der vorgenannte Bericht war keine Eintagsfliege der Frauen­forschung. 1994/95 folgte unser so genanntes Coplacement-Projekt. Es sollte die rechtlichen und sozialen Barrieren erkunden, die der gemeinsame Beschäftigung von Paaren bei einem Arbeitgeber im Wege standen und Strategien entwickeln, um Karrierepaare mit ihren Arbeitsplätzen räumlich zusammenzuführen. Darüber habe ich bereits auf Rsozblog kurz berichtet.

Warum heute diese Erinnerung an objektiv gesehen eher kümmer­lichen Ausflüge in die Frauen­forschung? Der emanzipatorische Feminismus, den auch die meisten Juristen unterstützten, ist durch einen kulturalistisch konstruktivistischen Feminismus abgelöst worden, der zunehmend auf Unverständnis stößt, auch bei mir. Ich habe damit gekämpft, indem ich mich an einer ausführlichen Kritik an Bourdieus »Männlicher Herrschaft« versucht habe. Dabei habe ich zwar dessen theoretische Erfindungen wie den Habitus und das symbolische Kapital schätzen gelernt. Seine Analyse der männlichen Herrschaft baut jedoch, wie mir scheint, auf einen normativen Rückschaufehler.[1]

Inzwischen habe ich auf Rechtssoziologie-online den § 59 »Recht und Geschlecht« eingestellt. Die Annahmen, die diesem Abschnitt zugrunde liegen, werden nicht überall auf Zustimmung stoßen. Ich will sie hier in zehn Thesen kurz zusammenfassen, wiewohl nackte Thesen härter klingen, als sie gemeint sind.

  1. Feminismus ist nicht nur und nicht einmal in erster Linie eine um Objektivität bemühte wissenschaftliche Disziplin, sondern eine soziale Bewegung.
  2. Feminismus als soziale Bewegung leidet unter der Allianz mit der Antirassismusbewegung in den USA und der LGBT-Bewegung.
  3. Es gibt Grenzen der Interpretierbarkeit. Auch wenn biologische und psychische Qualitäten und Gesetzmäßigkeiten nicht so eindeutig festgelegt sind wie chemische und physikalische, sind sie doch nicht schlechthin sozial und kulturell verfügbar.
  4. Kontingent und damit interpretierbar ist aber die gesell­schaftliche Relevanz der biologischen Unterschiede zwischen Mann und Frau. Insoweit hat sich die Interpretation im Laufe der Geschichte verändert.
  5. Die »Nullhypothese« und Butlers noch radikalere Dekon­struktion des biologischen Geschlechts sind anerken­nens­werte, aber letztlich zum Scheitern verurteilte Versuche, qua Wissenschaft den LGBTs ihren Minderheitsstatus und die damit vielfach verbundenen Diskriminierungen zu nehmen.
  6. Frauen sind keine Minderheit, und deshalb gerät der Feminismus in eine Schieflage, wenn er sich nicht vom Diversitätsdiskurs separiert.
  7. Das Geschlechterarrangement war über die Jahrtausende durch die Gebärfähigkeit der Frau und die größere Körperkraft des Mannes bestimmt. In der Moderne und vollends im 20. Jahrhundert haben die biologischen Unterschiede für die Anforderungen, die im gesellschaftlichen Leben zu erfüllen sind, ihre Bedeutung verloren. Heute ist allein maßgeblich, dass Männer und Frauen über die gleichen intellektuellen und praktischen Fähigkeiten verfügen und dass Frauen die gleichen innovativen oder künstlerischen Leistungen erbringen wie Männer.
  8. De jure ist die Gleichstellung der Geschlechter erreicht. De facto wirken noch immer Reste des historischen Geschlechter­arrangements. Einem modernen Geschlechter­arrangement fehlt es aber an Konturen. Das Dilemma des Differenzfeminismus besteht fort. Er zeichnet sich kein positives Leitbild, an dem Frauen ihre Wahlen orientieren könnten. Die Wunschidentität der Frauen scheint männlich zu sein.
  9. Das Gendermainstreaming, insbesondere das sprachliche Gendering wirkt inzwischen kontraproduktiv.[2]
  10. Der feministische Diskurs ist auf nicht-männliche Identitäten zentriert und hat keine positiven Vorstellungen über Hetero­sexualität und über weibliche und männliche Identitäten entwickelt.

Voraussichtlich werde ich einige dieser Thesen noch ausführlicher darstellen.

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[1] Rsozblog vom 21. 2. 2018: Bourdieus Diagnose männlicher Herrschaft bei den Kabylen als normativer Rückschaufehler.

[2] Rsozblog vom 3. März 2019: Drei Mal generisches Femininum.

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Rechtssoziologie hilft Karrierepaaren

Rechtssoziologen sind leicht defätistisch, wenn es um die Relevanz ihrer Arbeit für die Praxis geht. Auf den ersten Blick ist der Erfolg ihrer Bemühungen in der Tat selten gleich erkennbar. Bei einer Nachschau zeigt sich aber, dass viele Themen, die von der Rechtssoziologie behandelt wurden, im Abstand von 10 oder zwanzig Jahren in Rechtspolitik und Rechtspraxis wieder auftauchen. Nachdem die Rechtssoziologie Zugangs- und Erfolgsbarrieren aufgezeigt hatte, gab es erhebliche Anstrengungen, den Zugang zum Recht zu verbessern, in Deutschland etwa durch die Reform des Armenrechts zur Prozesskostenhilfe und den Ausbau der Beratungshilfe. Nachdem Rechtssoziologie schon vor 30 Jahren die Unzulänglichkeiten justizieller Konfliktlösung beschrieben und auf Alternativen zum Recht und zur Justiz hingewiesen hatte, redet heute alle Welt von Mediation. Solche »späten Früchte« sind nicht unproblematisch, denn in aller Regel wird soziologisches Wissen auf dem Wege zur Praxis trivialisiert (Tenbruck), und, wenn es dort angekommen ist, hat sich die Gesellschaft längst weiter entwickelt. Was etwa den Zugang zum Recht betrifft, so türmt sich heute mit der E-Bürokratie in Wirtschaft, Verwaltung und Justiz eine neue Zugangsbarriere auf; und die Justiz selbst macht durch das im Zuge der Ökonomisierung auch dort vordringende Effizienzdenken schon Erreichtes wieder zunichte. Hier ein Beispiel, wo Rechtssoziologie bei einem engeren Thema vorausgegangen ist und die Praxis heute nachfolgt. Dabei lässt sich freilich nicht unterscheiden, ob hier Kausalität oder nur der Zeitgeist am Werke ist.

Die Ruhr-Universität Bochum hat ein neues Gleichstellungskonzept verabschiedet, das die Chancengleichheit von Frauen und Männern verbessern soll. Darin heißt es:

»Um hervorragende Frauen für wissenschaftliche Spitzenpositionen gewinnen und halten zu können, setzt die RUB auf die Umsetzung eines Konzeptes für ›Dual Career Couples.‹«.

Dazu wird näher ausgeführt:

»Seit 2005 verstärken sich die Dual Career Maßnahmen an der RUB. In Berufungs- und Bleibeverhandlungen wird zunehmend auch die Beschäftigungsmöglichkeit für den Partner/ die Partnerin problematisiert. Dabei ist es nicht immer so, dass es um ›gleiche‹ Dual Career Chancen geht, die Qualifikation eines Paares ist in der Regel unterschiedlich, auch wenn beide im wissenschaftlichen Bereich arbeiten. Umso erfreulicher ist es, dass bereits einmal eine Bleibeverhandlung erfolgreich war, weil der Partner der Wissenschaftlerin, die zwei auswärtige Rufe erhalten hatte, für eine Professur in Bochum gewonnen werden konnte. Zwei weitere Fälle konkretisieren sich in den nächsten Monaten und haben gute Aussichten auf Erfolg. Natürlich müssen auch die inhaltlichen Erfordernisse stimmig sein: Kein Professor/ keine Professorin kann so gut ein, dass eine Universität eine Partnerin/ einen Partner akzeptieren würde, der / die in ihrer wissenschaftlichen Arbeit nur mäßig ausgewiesen ist. Nach wie vor gilt die Bestenauslese, und der wissenschaftliche Hintergrund des Partners/der Partnerin muss zu dem passen, was eine zu besetzende Professur erfordert. Dual Career an der RUB kann auch bedeuten, der Partnerin, die aufgrund der Elternzeit noch nicht so qualifiziert ist wie der zu Berufene, eine Postqualifikationsstelle oder eine befristete Stelle zur wissenschaftlichen Tätigkeit anzubieten, um die eigene Qualifikation zu fördern und ggf. auf eine Dauerbeschäftigung und/oder eine Professur hinzuarbeiten. Auch dieses Angebot hat die RUB der Frau eines Wissenschaftlers gemacht und hat der Partnerin die Möglichkeit gegeben, nach der Promotion in Teilzeit die eigene Wissenschaftskarriere weiter zu verfolgen. Dual Career an der RUB bedeutet schließlich auch, den Partnerinnen und Partnern von Professoren und Professorinnen ein Angebot zu machen, die nicht im wissenschaftlichen Bereich tätig sind, aber an der Universität oder im Umfeld der Universität oder der Stadt eine berufliche Zukunft aufbauen wollen. Auch hier war die RUB bereits mehrfach erfolgreich. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Dual Career eine wichtige Maßnahme ist, um hoch qualifizierte Professorinnen und Professoren zu gewinnen oder zu halten. Es handelt sich jedoch auch jedes Mal um spezifische Einzelfälle, der sich nicht in ein Konzept pressen lassen.«

1994/95 wurde am Lehrstuhl für Rechtssoziologie und Rechtsphilosophie das sog Coplacement-Projekt durchgeführt. »Living apart together«, also die Frage, wie die betroffenen Paare eine berufsbedingte räumliche Trennung verarbeiten, war damals längst ein viel beredetes Thema. Wir wollten uns jedoch mit der Frage beschäftigen, wie Arbeitgeber mit Karrierepaaren umgehen, ob und in welcher Weise sie bei Einstellung, Beschäftigung und betriebsbedingter Versetzung auf den berufstätigen Partner Rücksicht nehmen. Unsere Hoffnung war, dass personalpolitische Maßnahmen im Sinne eines Coplacement im Interesse der Arbeitgeber liegen könnten und nicht durch Antinepotismusregeln abgewehrt zu werden bräuchten.

Nachdem ein für das Projekt eingestellter Arbeitswissenschaftler unter Mitnahme einiger Werkzeuge fahnenflüchtig geworden war, wurde das (von der DFG geförderte) Projekt von der Psychologin Diane Lange bearbeitet. Frau Lange hat auch den Abschlussbericht verfasst: Probleme räumlicher Mobilität beruflich hochqualifizierter Paare, vervielf. Manuskript, Bochum, 1997; ferner ist aus dem Projekt eine Dissertation entstanden: Susanne Jorg, Rechtliche Rahmenbedingungen zur räumlichen Mobilität beruflich hochqualifizierter Paare; Peter Lang Verlang, Frankfurt a. M., 1999. (Es gibt noch einige Exemplare des Abschlussberichts, die auf Anforderung übersandt werden.)

Wir trafen bei Arbeitgebern und Unternehmensberatern auf eine erhebliche Aufgeschlossenheit für das Thema, aber gleichzeitig auf ein noch größeres Defizit bei der Umsetzung in personalpolitische Strategien. Welche Strategien hier in Betracht kommen, zeigt folgende Übersicht aus dem Abschlussbericht:

Übrigens: Es gab Zeiten, da waren die Frauen von drei Professoren der Bochumer Juristenfakultät gleichzeitig am Landgericht Bochum als Richterinnen tätig. Das ließ sich »damals« (Ende der 70er Jahre) noch alles informell arrangieren. Das waren noch Zeiten. Als damals die Vertretungsregelung im Geschäftsverteilungsplan drei Richterinnen in einer Kammer zusammenführte, kommentierte der Landgerichtspräsident: »Drei Frauen in einer Kammer – na ja, die werden wohl auch nach Recht und Gesetz entscheiden.«

Nachtrag vom 12. 10. 2009:
Jetzt haben auch Exzellenzinitiativen das Thema entdeckt: http://www.uni-konstanz.de/hinz/?cont=dcc&lang=de

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