Grundstückszufahrten sollen besteuert werden

Bochum, den 1. April 2025

In Bochum denkt man[1] seit heute über eine Gemeindeabgabe auf Grundstückszufahrten nach. Die (politischen) Gemeinden in der Bundesrepublik Deutschland sind notorisch klamm. Sie sind für ihre Finanzen weitgehend auf das Wohlwollen von Bund und Ländern angewiesen. Sie können für besondere Leistungen wohl Gebühren und Beiträge erheben, haben aber nur eine kümmerliche Kompetenz zur Erhebung eigener Steuern. Praktisch wird diese Kompetenz vor allem zur Erhebung von Hundesteuern genutzt. Daher liegt es nahe, sich Gedanken darüber zu machen, wie man das Besteuerungs- und Abgabenrecht der Gemeinden besser ausschöpfen könnte.

Die meisten innerörtlichen Grundstücke verfügen über eine Zufahrt zu einer öffentlichen Straße.[2] Sie sind bei der Nutzung des Straßenraums privilegiert, weil das Parken vor Grundstücksein- und -ausfahrten, auf schmalen Fahrbahnen auch ihnen gegenüber, nach § 12 Abs. 3. Nr. 3 StVO verboten ist. Einfahrten fallen daher grundsätzlich unter den abgabenrechtlichen Begriff der Sondernutzung.

Aus den Straßen- und Wegegesetzen der Länder ist das allerdings nicht ganz einfach abzulesen. Das SGV. NRW besagt in  18 Abs. 1 S. 1:

Die Benutzung der Straßen über den Gemeingebrauch hinaus ist unbeschadet des § 14a Abs. 1 Sondernutzung.

20 Abs. 1 Satz 2 bestimmt dann aber:

Die Anlage neuer oder die wesentliche Änderung bestehender Zufahrten oder Zugänge zu einer Landesstraße, einer Radschnellverbindung des Landes oder einer Kreisstraße außerhalb von Ortsdurchfahrten gilt als Sondernutzung.

Daraus könnte man den Umkehrschluss ziehen wollen, dass Grundstückszufahrten in anderen als den in § 20 genannten Fällen keine Sondernutzung bedeuten, sondern unter den Gemeingebrauch nach § 14 SGV fallen. Aber diesen Schluss verbietet § 14a SGV, wenn dort in Abs. 1 ein gesteigerter Straßenanliegergebrauch nur für den Fall für zulässig erklärt wird, dass der Anliegergebrauch »den Gemeingebrauch nicht dauernd ausschließt oder erheblich beeinträchtigt oder in den Straßenkörper eingreift«. Durch das Parkverbot wird der Gemeingebrauch der Straße dauerhaft und damit auch erheblich eingeschränkt. Außerdem greifen Grundstückszufahrten baulich durch eine Absenkung des Rinnsteins oder eine anderweitig erkennbare Gestaltung in den Straßenkörper ein. Für die Einstufung von Zufahrten als Sondernutzung spricht ferner, dass die Anlage solcher Zufahrten grundsätzlich genehmigungspflichtig ist. Gemeingebrauch ist aber gerade nicht von Genehmigungen abhängig, sondern stützt sich unmittelbar auf die Widmung der Straße.

Der Parkdruck auf öffentlichen Straßen ist längst so erheblich, dass Parkraum zu einem Wirtschaftsgut geworden ist. Die Kommunen bewirtschaften ihn entweder durch Parkuhren oder durch Gebühren für das Anwohnerparken. Bei Parkuhren kommt man, wenn man nur einen Achtstundentag an Wochentagen berechnet, je nach Höhe der Parkgebühr, auf einen Betrag in der Größenordnung von 200 bis 400 EUR. Die Anwohnerparkgebühren liegen bisher niedriger, aber einige Städte sind auch hier schon in die Größenordnung von 300 EUR vorgestoßen. Da erscheint es angemessen und zur Gleichbehandlung sogar geboten, auch Grundstückseinfahrten entsprechend zu bepreisen.

Wäre eine solche Gebühr ausgeschlossen, weil Grundeigentümer schon  Grundsteuer zahlen? Im Gegenteil. Die Grundsteuer ist eine kleine Vermögenssteuer. Ein große Vermögenssteuer fehlt, weil die Erhebung praktisch schwer durchführbar ist. Grundstücke zählen aber zu den wichtigsten und beständigsten Vermögensbestandteilen, und deshalb besteht kein Grund, Grundstücke durch kostenlose Sondernutzungen weiter zu privilegieren. Das Problem ist allein, dass nach bisheriger Rechtslage Grundstücksabgaben aller Art zu den Betriebskosten gehören, die auf die Mieter umgelegt werden können. Diese Rechtslage gehört dringend geändert.

Wie dem auch sei, die Rechtslage ist so deutlich, dass eine mutige Gemeinde binnen eines Jahres, spätestens zum 1. April 2026, den Versuch starten sollte, eine Sondernutzungsgebühr für Grundstückszufahrten einzuführen. In Bochum wären die Sondernutzungssatzung vom 24. Dezember 1987 in der Fassung vom 23. Januar 2025 und der zugehörige Gebührentarif entsprechend zu ändern. § 3 über den Straßenanliegergebrauch könnte einen zweiten Absatz erhalten, der lautet:

Die Sondernutzung durch Grundstückszufahrten bedarf über die bau- und straßenbaurechtlichen Erfordernisse hinaus keiner zusätzlichen Erlaubnis, ist jedoch wie erlaubnispflichtige Sondernutzungen gebührenpflichtig.

Wie hoch sollte man die Abgabe ansetzen? Einen Orientierungspunkt geben die Gebühren für da Anwohnerparken. 300 EUR jährlich für eine Einfahrt erscheinen nicht unangemessen. Mit welchem Aufkommen wäre zu rechnen? Die Grundstückszufahrten werden anscheinend nicht gezählt. In Bochum gab es 2023 58.600 Wohngebäude, davon 33.300 Ein- und Zweifamilienhäuser. Man darf wohl damit rechnen, dass eine Stadt wie Bochum etwa über 50.000 Zufahrten verfügt. Der ergäbe für eine Stadt wie Bochum immerhin einen Betrag von 15 Millionen. Das erscheint bei einem Haushalt von 1,7 Milliarden beinahe lächerlich zu sein. Im Vergleich zu den Hundesteuereinnahmen von 2,8 Millionen hört sich der Betrag aber schon besser an. Probleme bereitet allerdings bei das bei kommunalen Gebühren zu beachtende Kostendeckungsprinzip. Das scheint jedoch bei Sondernutzungsgebühren keine große Rolle zu spielen.

Alternativ wäre an eine Aufwandsteuer nach Art. 105 Abs. 2a GG in Verbindung mit § 3 KAG NW zu denken. Nach der gängigen Definition der Aufwandsteuer könnten dann aber wohl nur die Zufahrten privat genutzter Grundstücke besteuert werden.

Die Rechtslage ist also nicht ganz einfach. Aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.


[1] Also mindestens ein Bürger.

[2] Das Föderale Informationsmanagement (FIM) hat ein Datenfeld »Antrag Gehwegüberfahrten Zustimmung«. Dort heißt es unter Definition:

»Eine Gehwegüberfahrt bzw. eine Zufahrt ist die für die Benutzung mit Fahrzeugen bestimmte oder geeignete Verbindung von anliegenden Grundstücken oder von nicht-öffentlichen Wegen mit einer Straße. Innerorts benötigen Sie für die Anlage einer neuen oder Änderung einer bestehenden Zufahrt keine Sondernutzungserlaubnis. Hier ist darauf hinzuwirken, dass die Zufahrt verkehrssicher ausgestaltet wird, sodass eine vorherige Rücksprache mit der zuständigen Straßenbauverwaltung sinnvoll ist. Außerhalb der Ortsdurchfahrt stellen Zufahrten eine erlaubnispflichtige Sondernutzung dar. Wenn Sie eine baugenehmigungspflichtige bauliche Anlage neu errichten oder erheblich ändern und in diesem Zuge eine Zufahrt bauen oder ändern, dann wird über die Zufahrt im Zuge des Baugenehmigungsverfahren entschieden. Zuständig hierfür ist die jeweilige Baugenehmigungsbehörde. Wenn Sie eine baugenehmigungsfreie bauliche Anlage neu errichten oder erheblich ändern und in diesem Zuge eine Zufahrt bauen oder ändern, dann entscheidet bei Zufahrten außerorts an Landes und Kreisstraßen die jeweilige Straßenbaubehörde über die Anlage der Zufahrt.«

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Die binäre Wetterordnung der Meteorologie

Anzuzeigen ist ein neues Buch, das so etwas wie einen Kuhnschen Paradigmenwechsel einleiten könnte:

Stormy Shark, Weather Trouble. Das Wetter-Dispositiv und der Regen als soziales Konstrukt, Ewrem-Verlag, 2024, ISBN 8794 2024 0104, 329 S. 29,00 EUR.

Angesichts des Klimawandels kann der Regen nicht länger Sache von Meteorologe*innen bleiben, so die These von Stormy Shark in ihrem neuen Buch. Eine praxeologische Analyse der diskursiven Grenzen des Wetters sei angesagt, um zu zeigen, wie Wetter als duales Phänomen gemacht werde und wie seine Reifizierung durch die Meteorologie die Machtfrage verdränge. In der Konsequenz würden Wetterstationen und Wetterberichte überflüssig. Künstliche Intelligenz (KI) werde das nachgefragte Wetter herbeikonstruieren. [1]

Ich beschränke mich hier auf eine Inhaltsangabe. Die Thesen des Buches sind so umstürzend, dass ich zu einer Stellungnahme vorläufig nicht im Stande bin.

Ausgangspunkt der Meteoronormativitätskritik Sharks sind die Herrschafts- und Machtverhältnisse, die durch Hochdruck- und Tiefdruckgebiete begründet und gestützt werden. Die Wetterkategorien Hoch und Tief sowie ihre rigide barometrische Unterscheidung werden als Voraussetzung von Wetteridentitäten wie Regen und Sonnenschein problematisiert. Damit ist ein Perspektivwechsel gegenüber ontologisch-meteorologischen Ansätzen verbunden. Im Visier steht die Naturalisierung oder Normalisierung der Trockenheit. Nicht das vermeintliche Ausbleiben des Regens soll gerechtfertigt, sondern der Regen selbst soll unter Rechtfertigungsdruck gestellt werden.

Die scheinbar natürliche Existenz zweier Wetterlagen – die von Hochdruck und Tiefdruck – ist fester Bestandteil einer alltäglichen, normalitätsproduzierenden Wissensordnung, die individuelle Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsmuster genauso wie gesellschaftliche Institutionen durchzieht. Kulturelle Praktiken und Rituale wie Regentänze oder Gebete für Regen waren gestern. Heute wird das Wissen um das Wetter durch Wetterberichte, Small Talk, Angebote von Regenschirmen und Regenbekleidung, Sonnencremes und Tattoos, die vorgezeigt werden wollen, immer wieder neu bestärkt.

Die Binarität des Wetters funktioniert als ein wirkmächtiges Ordnungsprinzip, das die soziale Welt grundlegend strukturiert und aufgrund seiner inhärenten Asymmetrie die Vorherrschaft des Hochdrucks stützt. Tiefdruck und Hochdruck werden dabei als komplementäre Gegensätze konstruiert. So werden mit dem Tiefdruck traditionell Wolken, Regen und Sturm assoziiert, wohingegen Sonne, Licht und Wärme dem Hochdruck zugeschrieben werden. Scheinbar eindeutige Wetterunterschiede dienen als natürliches Fundament, als »unanfechtbare Rechtfertigung«[2] der Zweiwettrigkeit. Die Meteoronormativitätskritik hat immerhin 1998 insofern einen Erfolg erzielt, als seither Tiefdruckgebiete nicht länger als weiblich wahrgenommen werden. Seither wechselt das Wetter jährlich sein Geschlecht. Das Wetter ist damit zu einem Transphänomen geworden. Die meisten Wetterlagen sind sogar intertempestär. Das Publikum verweigert sich allerdings der caelestrischen Zwittrigkeit und verlangt eindeutige Wetterlagen. Es ist insofern gespalten. Landwirte und Naturschützer beklagen das Ausbleiben des Regens, Touristen die fehlende Sonne.

Die binäre Wetterordnung durchzieht auch die Grundlagen moderner Staatlichkeit. Bereits die Gründungsfiguren der Meteorologie und der Wetterberichte folgten in ihrer Konzeption freier und gleicher Isobaren einer binären, meteoro-logischen Rationalität. Sie reflektierten weder die Abhängigkeit der Isobaren von ihren Wettermodellen noch von der reproduktiven Tätigkeit der Aufzeichnungsgeräte und der nachfolgenden Visualisierungen. Neuere Entwicklungen in der meteorologischen Macht- und Herrschaftsdiskussion verweisen auf die Naturalisierung der Binarität von Regierung und Opposition. Dem entspricht die Selbstwahrnehmung der Politik, die sich die Großwetterlage fortlaufend in Meinungsumfragen über Hochs und Tiefs von Politikern und Parteien spiegeln lässt.

Alles das wird nun durch KI weitgehend überholt. Auf Anfragen aller Art werden wir Variationen der folgenden Antwort erhalten: Es gibt kein Wetter, sondern nur Wetterfühligkeit. Der durchnässte, erhitzte oder verfrorene Körper ist ein »gespürter Leib«, der befremden mag, der aber als ein Ort der Wettererfahrung und damit des Selbstausdrucks geschätzt werden sollte.


[1] Ich hatte daher zunächst bei ChatGPT nach einem Entwurf für diese Buchanzeige gefragt. Hier ist die Anwort:

»Das Wetter-Dispositiv: Eine Einführung: Der Begriff ›Dispositiv‹ wurde von Michel Foucault geprägt und bezieht sich auf eine Anordnung von Wissen, Macht und Praktiken, die dazu dienen, bestimmte soziale Phänomene zu konstruieren und zu kontrollieren. Das Wetter-Dispositiv umfasst die vielfältigen Weisen, auf die das Wetter in unsere Gesellschaft eingebettet ist und wie es unsere Denkweisen, Verhaltensweisen und Institutionen beeinflusst.

Das Wetter-Dispositiv besteht aus verschiedenen Elementen, darunter:

Wettervorhersagen und -berichterstattung: Meteorologen, Wetterstationen und Medien spielen eine zentrale Rolle dabei, das Wetter zu überwachen, vorherzusagen und zu kommunizieren. Durch Wetterberichte und -warnungen werden bestimmte Verhaltensweisen gefördert, wie zum Beispiel das Tragen von Regenschirmen bei Regen oder das Vorbereiten auf extreme Wetterereignisse.

Kulturelle Repräsentationen des Wetters: Das Wetter wird in Kunst, Literatur, Film und anderen kulturellen Medien oft symbolisch verwendet, um Stimmungen, Atmosphären und soziale Dynamiken zu veranschaulichen. Zum Beispiel kann Regen in Filmen als Metapher für Trauer oder Erneuerung dienen.«

Soziale Praktiken und Rituale: Das Wetter beeinflusst unsere täglichen Routinen und Aktivitäten, von der Wahl unserer Kleidung bis hin zu unseren Freizeitaktivitäten. Bestimmte Wetterbedingungen können auch soziale Ereignisse wie Outdoor-Veranstaltungen oder Reisen beeinträchtigen.

Der Regen als soziales Konstrukt: Insbesondere der Regen ist ein faszinierendes Beispiel dafür, wie das Wetter als soziales Konstrukt fungiert. Obwohl Regen ein meteorologisches Phänomen ist, das durch atmosphärische Bedingungen verursacht wird, ist seine Bedeutung und Wirkung stark von kulturellen, sozialen und individuellen Faktoren geprägt.

Symbolische Bedeutung: Regen wird oft mit verschiedenen symbolischen Bedeutungen aufgeladen, je nach kulturellem Kontext und individuellen Erfahrungen. In einigen Kulturen wird Regen als Segen und Quelle des Lebens angesehen, während er in anderen als Symbol für Melancholie oder Unheil gilt.

Auswirkungen auf das soziale Leben: Regen kann erhebliche Auswirkungen auf das soziale Leben haben, indem er Aktivitäten im Freien einschränkt, Verkehrsstörungen verursacht und sogar zu Naturkatastrophen führen kann. Die Art und Weise, wie Menschen auf Regen reagieren, von der Freude über ersehnten Niederschlag bis hin zur Frustration über schlechtes Wetter, spiegelt die soziale Konstruktion des Regens wider.

Kulturelle Praktiken und Rituale: In vielen Kulturen gibt es spezifische Praktiken und Rituale im Zusammenhang mit Regen, wie zum Beispiel Regentänze oder Gebete für Regen in landwirtschaftlichen Gemeinschaften. Diese Rituale zeigen, wie Regen nicht nur als meteorologisches Phänomen, sondern auch als kulturelle Kraft verstanden wird.

Insgesamt zeigt die Betrachtung des Wetters als Dispositiv und des Regens als soziales Konstrukt, dass unsere Wahrnehmung und Erfahrung des Wetters weit über seine rein meteorologischen Eigenschaften hinausgeht. Das Wetter ist nicht nur ein Objekt der Natur, sondern auch ein Produkt menschlicher Vorstellungen, Praktiken und Institutionen, die es formen und interpretieren. Indem wir das Wetter als soziales Phänomen betrachten, können wir ein tieferes Verständnis für die vielfältigen Weisen entwickeln, auf die das Wetter unser Leben beeinflusst und geformt wird.«

[2] Kulturanthropologische Studien zeigen, dass in anderen Gesellschaften Wetter als Kontinuum gedacht wird, vgl. Wetterer, Konstruktion von Wetter, in April/Kleinert, Handbuch Wettergerechtigkeit, 2010, 126.

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