Der Emeritus als Privatgelehrter

Mit der Emeritierung verabschiedet man sich in aller Regel von einem Mitarbeiterstab, von seiner über Jahre hin aufgebauten Handbibliothek und von der Ausstattung mit Geldmitteln für neue Bücher, Reisen und was man sonst noch so brauchen kann. Man behält ein kleines Zimmer mit Telefon und einem Computer älteren Datums. Darüber hinaus gibt es Kollegen, die ihre Hilfsbereitschaft zusichern, die man aber doch ungern so oft in Anspruch nimmt, wie man sie brauchen könnte. So wird man denn zum Privatgelehrten. Der Schwerpunkt der Arbeit verlagert sich in das häusliche Arbeitszimmer, wo im Zweifel der bessere Computer steht und wo sich im Laufe der Jahre auch eine private Bibliothek angesammelt hat. Da kann man nun versuchen, den Anschluss an sein altes Fach zu halten, sich von Zeit zu Zeit mit Veröffentlichungen, Vorträgen oder der Neuauflagen seiner alten Bücher zu Wort zu melden und voller Selbstmitleid den Verlust aller wesentlichen Ressourcen beklagen. Reflektiert man dann aber die eigenen Arbeitsbedingungen, so muss das Urteil gar nicht so trübe ausfallen. Erst jetzt lernt man den Kollegen Computer richtig zu schätzen. Er hilft mit Datenbanken und bringt Dokumentenlieferdienste auf Trab. Die im Internet ohne den Gang zu Bibliothek erreichbaren Materialien haben einen solchen Umfang angenommen, dass man sie nicht gar mehr ausschöpfen kann. Man muss zwar vorsichtiger sein als mit gedruckten Büchern. Das Internet ist ein großer Selbstverlag, in dem jeder ohne Kontrolle publizieren kann. Doch viele Autoren stellen auch bereits gedruckte oder noch zu druckende Arbeiten ins Netz, weil sie aus gutem Grund annehmen, dass man sie sonst kaum lesen würde. Andere, und sie werden zahlreicher, veröffentlichen ihre Arbeiten von vornherein unter einer Creative Commons Lizenz oder stellen sie gar in die Public Domain. Auf technische Hilfe und materielle Ressourcen ist jedenfalls der Geisteswissenschaftler gar nicht mehr so sehr angewiesen.
Vielleicht kann er sich sogar eine kleine Nische erobern, weil er anders arbeitet, insbesondere andere Quellen heranzieht, als die aktiven Kollegen. Wer den Gang zur Bibliothek Hilfskräften überlässt und die Bücher nicht selbst aus dem Regal holt oder wer gar nur noch mit Kopien arbeitet, die er sich aus Büchern und Zeitschriften anfertigen lässt, dem entgehen viele Kollateralfunde. So nenne ich Informationen, nach denen ich nicht unmittelbar gesucht habe, die auch gar nicht direkt zum Thema gehören müssen, die mir aber doch beim Stöbern auffallen, die aus eingefahrenen Gedankengeleisen herausführen können und die sich nicht selten in die laufende Arbeit einbauen lassen. Noch viel häufiger ist solcher Beifang beim Surfen im Internet. Deshalb bekommt er auch gleich einen neuen Namen: Serendipity-Effekt. Beim Gugeln (kein Schreibfehler) nach bestimmten Informationen stoße ich immer wieder auf andere, die ich im Augenblick gar nicht gesucht habe, die aber doch interessant und relevant erscheinen, und die ich, hätte ich sie direkt gesucht, vielleicht gar nicht gefunden hätte.
Was der Emeritus am meisten entbehrt, ist das tägliche Gespräch mit Mitarbeitern und Studenten. Dafür ist das Internet nur ein dürftiger Ersatz. Es zeigt sich, dass – von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen – die Interaktivität, für die das Internet so gepriesen wird, bloße Möglichkeit bleibt. So dient mein Weblog vor allem dem (vernehmbaren) Selbstgespräch.
Kann man den Privatgelehrten unserer Tage vielleicht sogar beneiden? So abwegig ist die Frage nicht. Bachelorisierung der Studiengänge und Modularisierung des Stoffes einschließlich der zugehörigen Prüfungsverpflichtungen darf er anderen überlassen. (Meine Nachfolgerin durfte zum Semesterschluss gerade 420 Rechtsphilosophieklausuren korrigieren.) Man hört und liest von der auch in der Universität überall spürbaren Kommerzialisierung, von der drängenden Forderung nach Effizienz, von permanenter Evaluation, die messbaren Output und Erfolge bei der Gewinnung von externem Geld zum Maßstab nimmt. Vor aller Forschung kommt heute das Schreiben von Drittmittelanträgen. Die schwierige Situation der aktiven Professoren war im Sommer mehrfach Thema in der FAZ (Heike Schmoll, Die Omnipräsenz der Professoren im Wissenschaftstourismus, F.A.Z., 12.06.2008, Nr. 135 / Seite 8; Alexander Kosenina, Der Vollzeitprofessor stirbt langsam aus, FAZ, 12.06.2008, Nr. 135 / Seite 41; Leserbrief »Wo bleibt der Protest der Hochschullehrer?« von Prof. Dr. Horst Haider Munske, F.A.Z., 30.06.2008, Nr. 150 / Seite 9). Der Emeritus bleibt von alledem ziemlich unberührt und kann unbesorgt zwischen Schreibtisch und Golfplatz pendeln.
Dienen solche Überlegungen nur der Dissonanzreduktion? Es bleibt das Problem: Der Privatgelehrte weiß nicht, was ihm entgeht, weil er es nicht erlebt.

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Eine Diskussion über H. L. A. Harts Anerkennungsregel

Was für die Rechtstheorie in Österreich und Deutschland Kelsens Grundnorm, das ist für England und die USA Harts »rule of recognition«. Der Unterschied liegt darin, dass die Grundnorm (wie ich sie verstehe) eine bloße Denkvoraussetzung in Sinne der Philosophie des Als-Ob bildet, während die rule of recognition eine empirisch greifbare Basisnorm meint, die allerdings nicht als förmlicher Rechtstext gefasst sein muss. Der richtige Vergleichspunkt für die rule of recognition ist daher gar nicht die Grundnorm, sondern die höchste positive Norm im Stufenbau der Rechtsordnung. Wenn man konkret auf eine bestimmte Rechtsordnung sieht, so geht es um die zentralen Kompetenznormen der Verfassung. In der Allg. Rechtslehre (S. 318 f.) ordnen wir die Lehre Harts als Anerkennungstheorie ein. Aber das ist doch sehr grob.
Wer einen feineren Theorievergleich unternehmen will, dem hilft jetzt ein Aufsatz von Scott J. Shapiro, What is the Rule of Recognition (and Does it Exist)? Und vielleicht das ganze Buch, in dem er erscheinen soll (The Rule of Recognition And the U.S. Constitution, herausgegeben von Matthew Adler und Kenneth Himma, Oxford University Press, 2009). Shapiros Aufsatz (auf den ich natürlich einmal wieder durch Lawrence L. Solum aufmerksam geworden bin) steht jedenfalls zur Zeit noch bei SRRN zum Abruf bereit.
Hier das Abstract:

One
of the principal lessons of The Concept of Law is that legal systems are not only comprised of rules, but founded on them as well. As Hart painstakingly showed, we cannot account for the way in which we talk and think about the law – that is, as an institution which persists over time despite turnover of officials, imposes duties and confers powers, enjoys supremacy over other kinds of practices, resolves doubts and disagreements about what is to be done in a community and so on – without supposing that it is at bottom regulated by what he called the secondary rules of recognition, change and adjudication.

Given this incontrovertible demonstration that every legal system must contain rules constituting its foundation, it might seem puzzling that many philosophers have contested Hart’s view. In particular, they have objected to his claim that every legal system contains a rule of recognition. More surprisingly, these critiques span different jurisprudential schools. Positivists such as Joseph Raz, as well as natural lawyers such as Ronald Dworkin and John Finnis, have been among Hart’s most vocal critics. In this essay, I would like to examine the opposition to the rule of recognition. What is objectionable about Hart’s doctrine? Why deny that every legal system necessarily contains a rule setting out the criteria of legal validity? And are these objections convincing? Does the rule of recognition actually exist?

This essay has five parts. In Part One, I try to state Hart’s doctrine of the rule of recognition with some precision. As we will see, this task is not simple, insofar as Hart’s position on this crucial topic is often frustratingly unclear. I also explore in this part whether the United States Constitution, or any of its provisions, can be considered the Hartian rule of recognition for the United States legal system. In Part Two, I attempt to detail the many roles that the rule of recognition plays within Hart’s theory of law. In addition to the function that Hart explicitly assigned to it, namely, the resolution of normative uncertainty within a community, I argue that the rule of recognition, and the secondary rules more generally, also account for the law’s dexterity, efficiency, normativity, continuity, persistence, supremacy, independence, identity, validity, content and existence. In Part Three, I examine three important challenges to Hart’s doctrine of the rule of recognition. They are: 1) Hart’s rule of recognition is under- and over-inclusive; 2) Hart cannot explain how social practices are capable of generating rules that confer powers and impose duties and hence cannot account for the normativity of law; 3) Hart cannot explain how disagreements about the criteria of legal validity that occur within actual legal systems, such as in American law, are possible. In Parts Four and Five, I address these various objections. I argue that although Hart’s particular account of the rule of recognition is flawed and should be rejected, a related notion can be fashioned and should be substituted in its place. The idea, roughly, is to treat the rule of recognition as a shared plan which sets out the constitutional order of a legal system. As I try to show, understanding the rule of recognition in this new way allows the legal positivist to overcome the challenges lodged against Hart’s version while still retaining the power of the original idea.

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»Anti-Court-Movement«

Unter dem Chief Justice Earl Warren war der US Supreme Court eine Speerspitze des Liberalismus. Inzwischen dominieren unter Rehnquist und nach dessen Tod seit 2005 unter John Roberts konservative Kräfte das Gericht, und sie kassieren Gesetze und Präjudizien, die nicht nach ihrem Geschmack sind. So jedenfalls sieht es eine wachsende Gruppe linksliberaler Rechtswissenschaftler in den USA, die deshalb auf unterschiedliche Weise die Macht des Verfassungsgerichts zurückdrängen wollen. Ihre Kritik richtet sich nicht speziell gegen die Entscheidung bestimmter einzelner Fälle, sondern sie machen geltend, dass Gericht zu viele Fälle an sich ziehe und zu wenig Entscheidungen der Politik überlasse. Anwälte und Gerichte behandelten Konflikte, die besser durch das Wahlvolk entschieden würden. In einer Rezensionsabhandlung in Law & Social Inquiry 33 (2008) 1071-1110 geht Josh Benson diesem »Anti-Court-Movement« nach. Dazu bespricht er Bücher von Larry D. Kramer (The People Themselves: Popular Constitutionalism and Judicial Review, 2004), Jeffrey Rosen (The Most Democratic Branch: How the Courts Serve America, 2006) Cass R. Sunstein (One Case at a Time: Judicial Minimalism and the Supreme Court, 1999) und Mark V. Tushnet (Taking the Constitution Away from the Courts, 1999). Diese Kritik, so Benson, habe in der politischen Öffentlichkeit eine enorme Wirkung. »Restraint« und »minimalism« seien zu neuen Leitideen geworden. Neben der ökonomischen Analyse des Rechts könnte das »Anti-Court-Movement« zum stärksten Impuls werden, der von der Wissenschaft in den letzten Jahrzehnten ausgegangen sei. In seinem lesenswerten Besprechungsaufsatz geht Benson den historischen Wurzeln und den aktuellen Ausprägungen dieser Gerichtskritik nach, nicht ohne auf die Dilemmata der liberalen Minimalisten hinzuweisen: Den judicial activism des Warren Court fanden sie gar nicht so schlecht. Und der Richter John Roberts, der sich 2005 bei seiner Anhörung im Parlament als Minimalist gab, scheint sich nun doch ganz anders entwickelt zu haben.
Benson endet:

In the 1930s, the first liberal Anti-Court Movement bloomed. Its history, though tumultuous, is at least familiar. The Anti-Court idea is one liberals habe embraced before, then turned against, then embraced again. As Mark Twain observed, the past does not repeat itself, but it rhymes.

Das schöne Twain Zitat ergibt den Titel von Bensons Essay.
Hier noch zwei Internetquellen zum Thema:
In einer ausführlichen Rezension des Buchs von Larry D. Kramer, The People Themselves, haben Larry Alexander und Lawrence B. Solum dem Konzept des Popular Constitutionalism Unklarheit und Widersprüchlichkeit vorgehalten: Popular? Constitutionalism?, Harvard Law Review 118 (2005) 1594-1640. Verfügbar bei SSRN: http://ssrn.com/abstract=692224.
Ob der »Roberts Court« tatsächlich als konservativ gelten muss, ist durchaus kontrovers. Dazu Jonathan H. Adler, Getting the Roberts Court Right: A Response to Chemerinsky (November 2008), verfügbar bei SSRN: http://ssrn.com/abstract=1307177. Aus dem Abstract:

Reviewing the Court’s decisions over the past three years, Dean Chemerinsky concludes that the Roberts Court is the “the most conservative Court since the mid-1930s.” This is a substantial overstatement. The Roberts Court appears moderately more “conservative” than its predecessors in some contexts, but is also quite “liberal” in others. Its decisions on enemy combatants, capital punishment, and standing, among other issues, could hardly be characterized as “conservative,” however this term is defined. Furthermore, any assessment of the Roberts Court at this point is necessarily tentative. The current roster of justices have sat together for less than three full terms, and the small size of the docket means any single term provides an unrepresentative picture of the Court’s jurisprudence. While the Roberts Court may eventually show itself to be a conservative court, there is no basis at present to claim the Court is the “most conservative” in over seventy years.

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Internetquellen zur Rechtsdidaktik in den USA und in England

Eine umfassende Übersicht zur juristischen Fachdidaktik in den USA bietet die Webseite der University of Minnesota Law School: Teaching Tools for Law School Faculty, zusammengestellt von Mary Jo Norton. Leider führen die meisten Links auf die Seite von West Publishing, die nicht offen zugänglich ist. Deshalb will ich noch auf vier neuere Aufsätze hinweisen, die alle als Volltext von einem der SSRN-Server heruntergeladen werden können.
Howard E. Katz / Kevin Francis O’Neill, Strategies and Techniques of Law School Teaching: A Primer for New (And Not So New) Professors, Research Paper 07-144, Juli 2007.
John O. Sonsteng, A Legal Education Renaissance: A Practical Approach for the Twenty-First Century, William Mitchell Law Review, 34, No. 1, 2007; William Mitchell Legal Studies Research Paper No. 89 (2008).
Deborah Jones Merritt, Legal Education in the Age of Cognitive Science and Advanced Classroom Technology (August 2007). Ohio State Public Law Working Paper No. 94; Center for Interdisciplinary Law and Policy Studies Working Paper No. 63.
Merritt, Deborah Jones, Bias, the Brain, and Student Evaluations of Teaching (Januar 2007). Ohio State Public Law Working Paper No. 87.
Und nun nach England:
Transforming Legal Education: Auf dieser Seite wird ein Buch von Paul Maharg, Learning and Teaching Law in the Early Twenty-First Century, 2007, angezeigt. Die Seite enthält außerdem ein recht lebendiges Weblog sowie ein Wiki. Zum Wiki habe ich mich bisher nicht angemeldet.
The UK Centre for Legal Education an der Universität Warwick. Auch in dieser Seite habe ich nur ganz vorläufig geblättert. Für schnell Entschlossene: Am 23. und 24. Januar 2009 gibt es in Warwick eine Learning in Law Annual Conference.

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Ein Hamburger Team auf der Fährte der Rechtsdidaktik

Gestern war ich in Hamburg zu einer Exkursion in das »Lehrreich« der Fakultät für Rechtswissenschaft. In einer Veranstaltung mit Justizsenator und Vorträgen, Workshops, Podiumsdiskussion und Posterausstellung zeigte die Fakultät ihre Anstrengungen zur Evaluation und zur Verbesserung der juristischen Ausbildung vor. Bemerkenswert fand ich den kooperativen Umgang von Professoren mit Mitarbeitern und umgekehrt, der fröhlichen Teamgeist ausstrahlte. Beeindruckt hat mich das »Impulsreferat« von Judith Brockmann, Jan-Hendrik Dietrich und Arne Pilniok mit der Überschrift »Rechtswissenschaftliche Fachdidaktik: ein ungehobener Schatz?«. Es wurde von Arne Pilniok glänzend vorgetragen. Auf der Rückfahrt habe ich auch das ausgearbeitete Manuskript gelesen. Die Autoren beklagen den fehlenden fachspezifischen Zugang der Hochschuldidaktik und die Konzentration der Debatte um die Juristenausbildung auf die Systemfrage. Aber dabei bleiben sie nicht stehen. Sie sehen in den aktuellen Hochschulreformen einen Impulsgeber für die Lehre und zeigen den Weg, der zu einer rechtswissenschaftlichen Fachdidaktik führen könnte: Auch wenn sie dabei auf die allgemeine Hochschuldidaktik zurückgreifen, so bleiben sie doch stets ganz nahe an den spezifischen Anforderungen des juristischen Studiums. Es ist zu hoffen, dass das Manuskript bald veröffentlich wird.
Am Rand der Veranstaltung bin ich im Multimediagarten auf eine neue Pflanze gestoßen. Zum Coffee-to-Go gibt es jetzt auch die Lecture-to-Go. Für andere ist das vielleicht ein alter Hut (vgl. http://www.insidehighered.com/news/2008/09/23/capture). Aber ich finde es nicht selbstverständlich, dass Präsenzveranstaltungen routinemäßig aufgezeichnet und den Teilnehmern und möglicherweise einem weiteren Personenkreis über das Inter- oder Intranet zugänglich gemacht werden. Der Legal McLuhanite in mir überlegt, wie es sich auf das Verhalten auswirkt, wenn die Beteiligten wissen, dass jede Geste und jedes Wort festgehalten werden. Müssen sie dabei nicht sozusagen einen performativen Widerspruch abarbeiten? Ohnehin leidet die Performanz in Präsenzveranstaltungen heute schon unter dem technischen Overhead (der auch in Hamburg nicht pannenfrei zu haben war). Und der Jurist überlegt, dass hier Persönlichkeitsrechte der Zuhörer, die ins Bild kommen, tangiert werden könnten. Ferner stellen sich urheberrechtliche Fragen, und zwar nicht nur hinsichtlich des Vortrags selbst, sondern auch hinsichtlich des möglicherweise nicht gemeinfreien Materials, dass der Vortragende zitiert.
Nachtrag vom 30. 1. 2009: Die Lecture-to-go wird anscheinend zur Übung. Aus einer Pressemitteilung der Universität Leipzig: Jede Vorlesung im Bereich Angewandte Telematik/e-Business der Universität Leipzig wird ab sofort als Video (in Form eines Screencasts) und als MP3 zum Download angeboten. Dafür werden in den Vorlesungen die Erläuterungen der Dozenten zusammen mit den Folien aufgezeichnet, für das Internet aufbereitet und zum Download oder zum online Anschauen veröffentlicht. Im Screencast können gezielt Inhalten gesucht und einzelne Kapitel beliebig wiederholt werden.

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Tamanaha über das problematische Erbe der Legal Realists

Brian Z. Tamanaha ist einer der aktivsten und interessantesten Autoren auf dem Gebiet der Rechtssoziologie und Rechtstheorie in den USA. Er versteht es immer wieder, lang eingefahrene Gedankengänge aus dem Gleis zu werfen. Im Social Science Research Network (SSRN) sind zurzeit fünf jüngere Arbeiten verfügbar. Die vollständigen bibliographischen Angaben kommen gleich ins Fundbüro. Hier nur die Titel und der Link:
A Concise Guide to the Rule of Law (2007)
The Dark Side of the Relationship between the Rule of Law and Liberalism, Januar (2008)
Law (Oxford International Encyclopedia of Legal History, 2008)
The Bogus Tale About the Legal Formalists (April 2008)
Understanding Legal Realism (Mai 2008)
The Distorting Slant of Quantitative Studies of Judging (November 2008).
In der letztgenannten Arbeit kritisiert Tamanaha die Politikwissenschaft, die sich bei ihren Untersuchungen über richterliches Entscheidungsverhalten von einem Mythos leiten lasse. Rechtssoziologie im 20. Jahrhundert wäre ohne die Legal Realists nicht denkbar. Aber sie haben ein problematisches Erbe hinterlassen, nämlich die Vorstellung, dass Juristen, Richter wie Wissenschaftler, tatsächlich selbst an das Lückenlosigkeitsdogma und das Subsumtionsdogma geglaubt hätten. Die Legal Realists haben aber nur explizit gemacht und auf die Spitze getrieben, was Juristen eigentlich immer schon wussten. Das hatte jedoch zur Folge, dass nunmehr die Vorstellung, Juristen hätten tatsächlich an die Möglichkeit einer mechanischen Jurisprudenz geglaubt, das 20. Jahrhundert beherrschte. Tamanaha spricht von einem »Bogus Tale about the Legal Formalists«. Darauf hat sich alsbald die Politikwissenschaft gestürzt, um nachzuweisen, dass im Gegenteil alles Recht politisch sei. In ihrer Fixierung auf einen Popanz habe sie dabei übersehen, dass die Wahrheit in der Mitte liege und dass eben doch juristische Entscheidungen mehr oder weniger durch Recht geleitet würden. Hier Tamanahas eigene Zusammenfassung:

One of the hottest areas of legal scholarship today involves quantitative studies of judging. This article will attempt to shift the current orientation of this work by making two basic points. The first point is that the field was born in a collection of false beliefs and misunderstandings about the formalists and the realists which has distorted how political scientists have modeled judging and how they have designed and interpreted their studies. Rather than conduct an open inquiry into the nature of judging, political scientists set out to debunk formalism by proving that judging is infused with politics, a mission that warped the development of the field.
The second point is that the results of their studies below the Supreme Court strongly confirm what judges have been saying for many decades – that their judicial decisions are substantially determined by the law. Political scientists have tended to repress this finding, however, by focusing on the wrong point: repeating time and again that their studies show that politics matters without also emphasizing that it matters very little. A balanced realism about judging accepts that – owing to the uncertainty of law and the inherent limitations of human decision makers – it is inevitable that there will be a certain (minimal) degree of political influence in judicial decision making, but this does not detract from the broader claim that judges can and usually do rule in accordance with the law.

Nachtrag vom 24. Mai 2010:
Die drei zuletzt genannten Manuskripte Tamanahas sind in sein in diesem Jahr bei Princeton University Press erschienenes Buch »Beyond the Formalist-Realist Divide« eingegangen. Auf die ersten beiden habe ich noch einmal in einem Posting vom 14. Mai 2010 Bezug genommen.

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CALI – The Center for Computer-Assisted Legal Instruction

CALI ist das Akronym für computer aided legal instruction und seit 1982 der Name eines gemeinnützigen Zusammenschlusses amerikanischer Law Schools, der E-Learning- Module entwickelt und anbietet. Die Webseite der Organisation ist insoweit eine unerschöpfliche Quelle. Ich habe noch längst keinen Überblick. Wenn ich demnächst einmal Lust und Zeit habe, mir die Seite näher anzusehen, werde ich über Details berichten. Doch schon der erste Blick gibt Anlass zu drei Feststellungen:
1. Hier ist entstanden, was in Deutschland aus juristischer Sicht fehlt, nämlich ein fachspezifisches Kompetenzzentrum für E-Learning.
2. Hier findet man, was ich in Deutschland beim E-Learning bisher noch vermisse, nämlich den planmäßigen Einbau visueller Elemente.
3. Hier findet, wer in Deutschland Grundzüge des US-amerikanischen Rechts lehren oder lernen will, Material in Fülle.

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Recht lehrreich. Wo bleibt die Rechtsdidaktik? (Teil V)

Auf der Suche nach der Rechtsdidaktik gibt es in Hamburg eine neue Spur. Der Hintergrund: Der Verbund Norddeutscher Universitäten hat sich die gemeinsame Evaluation von Studienfächern zum Ziel gesetzt. Es geht dabei um einen Prozess der Qualitätskontrolle, in dem die Lehre eine maßgebliche Rolle spielt. Eine erste Evaluation von Studium und Lehre im Fach Rechtswissenschaft fand 1999/2000 statt. Nun steht eine neue Runde an. Sie beginnt mit einer Selbstbeschreibung der Fakultäten. Darauf folgt eine Begehung durch eine Gutachterkommission und das alles mündet in einen abschließenden Bericht.

Die Fakultät für Rechtswissenschaft an der Universität Hamburg will den Prozess der Selbstbeschreibung für ihre Mitglieder wahrnehmbar machen. Unter dem Namen »LEHRREICH« will sie dem Thema Lehre als einem Kerngeschäft der Fakultät eine Plattform zum Austausch geben. Dazu findet am 3. Dezember ein Aktionstag statt. Das Programm, an dem ich mit einem Vortrag über »Visualisierung in der Juristenausbildung« mitwirke, findet sich hier: lehrreich_einladung2.

Bei dieser Gelegenheit: Auch die Ruhr-Universität nutzt den Titel »lehrreich« (allerdings in Minuskeln) für einen kürzlich ausgeschriebenen Universitätspreis für ausgezeichnete Lehrideen. Aber beide Aktionen haben anscheinend nichts miteinander zu tun. Bemerkenswert: Auf einem Marktplatz wurden am 25. 1. 2008 51 Best-Practice-Beispiele für innovative Lehre vorgestellt. Die Juristische Fakultät war daran mit zwei Beiträgen beteiligt.

Ich habe die Präsentationen einmal durchgeblättert. Gelernt habe ich vor allem hochschuldidaktisches Kauderwelsch: Anfangsimpuls, Blended Learning, Coaching, Dropbox, eTutoring, Feedback, Helpdesk, Input-Phase, Joint-Teaching, Peer-Prüfung, Portfolioeinsatz, POL (problemorientiertes Lernen), TED-System, formative TJE (Triple Jump Exercise), Workload. Aufgefallen ist mir, wie man mit Visualisierung Seiten füllen kann, ohne viel zu sagen. Gefallen hat mir eine Idee von Sozialwissenschaftlern, einen Theorienstreit als Battle of Theories darzustellen.

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Dissertationsthema: Rechtsfragen der Verwendung von audiovisuellen Medien bei Gericht

»More and more lawyers are using digital technologies, including PowerPoint, computer animations, trial presentation software such as Sanction II and Trial Director, and digital video, to create and display evidence and arguments.« So beginnt ein Aufsatz von Neil Feigenson, Digital Visual and Multimedia Software and the Reshaping of Legal Knowledge, in: Anne Wagner/William Pencak, Images in Law, Ashgate, Aldershot, 2006, S. 89-116. Darüber hatte bereits Stefan Ulbrich für unser Projekt »Visuelle Rechtskommunikation« unter dem Titel »Bilder in der forensischen Praxis« berichtet. Ich greife das Thema wieder auf, weil auf einer Tagung zur Rechtsvisualisierung, die kürzlich in München stattgefunden hat, die Niederländerin Susanne Hoogwater die Tätigkeit ihrer Firma Legal Visuals vorstellte, mit der sie in Denver und Utrecht aktiv ist. Dabei geht es um visuell gestützte Präsentationen für den Gerichtssaal, die aber auch im Vorfeld in Firmen und Anwaltsbüros Verwendung finden können. Zwar hatte ich den Eindruck, dass das Geschäft noch nicht so richtig blüht. Dennoch: Früher oder später werden auch bei uns die Anwälte mit mediengestützten Präsentationen im Gerichtssaal aufwarten wollen. In den USA träumen auch die Justizverwaltungen längst vom Electronic Courtroom. Hierzulande rüsten inzwischen Strafverteidiger auf mit dem, was sie Visual Advocacy nennen. Damit stellt sich die Frage, wie solcher Mediengebrauch sich mit den Prozessmaximen der Mündlichkeit und der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme verträgt. Auf der erwähnten Münchener Tagung befasste sich Burkhard Schafer, Edinburgh, u. a. mit der Unterscheidung zwischen visuellen Darstellungen, die unmittelbar dem Beweis dienen, und anderen, die nur die Beweisführung verdeutlichen. Aber das ist nur eine von vielen Fragen, die beantwortet werden müssen. Sicher ist auch Rechtsvergleichung angesagt. Das ist vermutlich ein lohnendes Dissertationsthema.

Nachtrag:
In dem Großverfahren gegen Alexander Falk wegen Betruges hat die Verteidigung mehrfach Powerpoint-Präsentationen eingesetzt. Man findet diese auf einer Webseite der Verteidigung.

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Elektronische Medien in der Juristenausbildung

Das Journal of Information, Law & Technology (JILT), eine frei zugängliche englische E-Zeitschrift, hat als Heft 1, 2007 ein Sonderheft zur Verwendung elektronischer Medien in der Juristenausbildung veröffentlicht (Special Issue on Law, Education and Technology). Hier das Inhaltsverzeichnis mit den zugehörigen Links:

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