Alles ist politisch. Zu Christoph Menkes »Kritik der Rechte« IV

Dies ist die vierte Lieferung[1] meiner Lesefrüchte aus Christoph Menkes »Kritik der Rechte« (2015).[2] Sie sind inzwischen reichlich abgestanden, sozusagen nur noch Trockenfrüchte, gesammelt aus den ersten beiden Kapiteln von Teil III »Die Ermächtigung des Eigenen«.

Zur Erinnerung noch einmal der Tenor des Buches: Der alte und auch der moderne Liberalismus haben eigentlich ein moralisches Anliegen. Sie fordern Freiheit, um den Menschen ein sittliches Handeln zu ermöglichen. Als Mittel wählen sie die Form subjektiver Rechte. Deren entscheidendes Merkmal besteht darin, das Ob und das Wie ihrer Inanspruchnahme den Berechtigten zu überlassen. Das Recht kümmert sich nicht um deren Motive, sondern nimmt ihren Willen als Tatsache hin. So verschwindet die Moral aus dem Recht. Das Ergebnis ist die amoralische bürgerliche Gesellschaft.[3] Auf Plattdeutsch: Das bürgerliche Recht will sittlich sein, stellt sich aber selbst ein Bein, weil es die Inhalte den Rechtsbürgern überlässt, die tun und lassen können, was sie wollen, solange sie sich nicht wechselseitig in die Quere kommen. Und so auf Franfurterisch: »Der Liberalismus ist die Verdrängung oder Verdeckung des Widerspruchs, des bürgerlichen Rechts – des Widerspruchs zwischen der Form der subjektiven Rechte und den moralischen Gründen ihrer Etablierung.« (255)

Teil III bietet manche Trivialitäten. »Ein Recht ist eine normative Macht: eine Handlungsmöglichkeit, die gegen andere normativ gesichert ist.« (177) Klar. Subjektive Rechts sind mehr als der bloße Reflex einer bestehenden normativen Ordnung (178). Geschenkt. »Subjektive Rechte sind nicht deshalb subjektiv, weil ein Subjekt sie hat, sondern genau umgekehrt, weil sie ein Subjekt hervorbringen.« (178f, 196) Das ist ein schönes Henne-und-Ei-Problem. Aber es ist natürlich richtig, dass die Menschen einmal Hühnersuppe bevorzugen und ein anderes Mal Rührei.[4] Das gilt analog für die Frage, ob das Klagerecht aus dem subjektiven Rechts abzuleiten ist oder ob umgekehrt das subjektive Recht aus der actio (228ff). »Ermächtigung durch subjektive Rechte bedeutet Politisierung und Privatisierung: Privatisierung als Politisierung, Politisierung als Privatisierung.« (179). Das läuft auf eine Nullhypothese hinaus.

Die Kapitel 8 und 9 von Teil III sind von Interesse, weil M. sich dort ausführlicher auf die Rechtstheorie einlässt. Gewährsleute sind Savigny und Windscheid, Jellinek und Kelsen, Carl Schmitt und Dworkin, Hegel und Foucault. Das alles geschieht, um zu erklären, dass das bürgerliche Recht bloßer »Schein« ist, nämlich »die falsche Verwirklichung des modernen selbstreflexiven Rechts« (175).

Die Selbstreflexion des bürgerlichen Rechts ist verzerrt, weil sie »in die Form subjektiver Rechte gekleidet ist«[5] (175) …Die Figur der subjektiven Rechte besetzt die empiristische Position des Gegebenen mit dem Subjekt. … Das bürgerliche Recht macht das Nichtrechtliche zu dem ihm in letzter Instanz Vorgegebenen, indem es das Gegebene als das Eigene des Subjekts versteht. … der Positivismus der subjektiven Rechte macht also das Wollen des eigenen zur autoritativen Tatsache … [von der] alle normative Setzung ausgehen muß« (176). So wird die kantische Idee vom normativen Eigenwert der Privatautonomie umgedreht.

Der direkte Angriff auf das Subjekt folgt erst in Kapitel 9 (197-207). Dort wird es sozusagen dekonstruiert, indem M. erstens mit Hilfe Foucaults seine historische Kontingenz aufzeigt, und zweitens auf die soziale Formierung des Subjekts hinweist. Ein historischer Umbruch im 17. Jahrhundert führte dazu, dass individuelle Entschei-dungen als letzte Grundlage für die Wahl von Zielen und Zwecken, also für eine Wertwahl, akzeptiert wurden. M. zitiert Foucault[6]:

»Was der englische Empirismus … wohl zum ersten Mal in der abendländischen Philosophie beschreibt, ist ein Subjekt …, das als ein Subjekt individueller Entscheidungen erscheint, die zugleich nicht weiter zurückführbar und unübertragbar sind.«

Der Witz der Sache ist aber nun, so M. (204ff), nicht einfach ein naturrechtlicher Dualismus, der das Subjekt mit seiner Autonomie und seinen Rechten als etwas unverfügbar Vorrechtliches akzeptiert. Vielmehr ist es das positive Recht selbst, welches die Form des subjektiven Rechts nicht bloß als fakultative Rechtstechnik einsetzt, sondern als Ermächtigung an jeden Einzelnen, »seine Entscheidungen auf die unhintergehbare Tatsache seines eigenen Wollens zurückzuführen« (207). So ganz habe ich den Unterschied zu der naturrechtlichen Version nicht verstanden. Vielleicht handelt es sich darum, dass das positive Recht die Rechtssubjektivität nicht als Wert, sondern als Tatsache voraussetzt. Vielleicht geht es auch darum, dass die naturrechtliche Version eine intrinsische Beschränkung mit sich führt, der der positivistischen »Naturali-sierung« des Eigenwillens fehlt. Darauf deutet der Abschnitt über das Eigentum (207ff).

Jedenfalls gilt: »Was das Subjekt will, gewinnt seine Geltung aus der Tatsache, daß es dies will. Das macht den spezifisch juridischen Individualismus aus …« (215). Das ist trefflich gesagt. Fraglich ist nur, ob diese Beschreibung nicht überholt ist. Anscheinend erleben wir gerade wieder einen historischen Umbruch. Der äußert sich etwa in einer »sozialen Reformulierung des Begriffs der Autonomie«[7] oder in juridischem Paternalismus, der dem »Eigen-willen« Grenzen zieht. Diese neuen Entwicklungen werden jedoch ausgespart, wiewohl sie M. natürlich geläufig sind.

Das lebende Individuum ist keine Monade, die absolut autonome Entscheidungen trifft. Man wird gerne zustimmen, wenn M. sich selbst zitiert (201):

»Die Sittlichkeit und die Autonomie des Wollens gibt es nur in dialektischen Prozessen, in denen sich Individuen zugleich subjektivieren und sozialisieren; das sittliche selbständige Wollen vollzieht sich nicht im Individuum, sondern zwischen dem Individuum und dem Sozialen.«

Aber das Individuum ist auch keine Marionette, die an den Fäden ihrer sozialen Rollen zappelt. Viele Leser würden daher wohl von der alten Autonomie etwas retten wollen.

Was Foucault beschrieb, ist die Akzeptanz der Subjektivität von Werturteilen. David Hume, auf den Foucault sich bezog, wird gewöhnlich als derjenige genannt, der als erster auf die Differenz von Sein und Sollen und damit auf die Werturteilsproblematik verwiesen hat. Sie ist philosophisch zum Hintergrund des Freiheitsbegriffs geworden. Sie ist Basis ebenso der Willenstheorie des Privatrechts wie der Demokratietheorie des Verfassungsrechts. M. kritisiert die bedingungslose Akzeptanz individueller Wahlentscheidungen durch das Recht als Verdrängung oder Privatisierung des Sozialen (200), als letztlich unmoralische »Naturalisierung« des »Eigenwillens«. Solche Kritik setzt die Möglichkeit voraus, sich einer Moral zu versichern. Dafür hat M. ein einfaches Rezept: »Sittliche Gehalte, das Gute oder die Güter, sind keine Produkte von individuellen Präferenzen, sondern existieren objektiv, in sozialen Praktiken.« (200) Man kann das Werturteilsproblem auf diese Weise mit dem eigenen Werturteil überspielen. Das ist schon deshalb keine Lösung, weil hinreichend universale und detaillierte »soziale Praktiken« als Ersatz nicht in Sicht sind.

Warum nicht umgekehrt? Soziale Praktiken sind die Produkte individueller Präferenzen. Wieso darf man sich nicht analog zu der »merkwürdigen Mechanik, die den homo oeconomicus als individuelles Interessensubjekt innerhalb einer Gesamtheit funktionieren lässt, die ihm entgeht und die dennoch die Rationalität seiner egoistischen Entscheidungen begründet«[8], das Individuum des Liberalismus als Moralsubjekt (homo moralis) vorstellen, das im Schwarm vieler Subjekte das Gute bewirkt? Wenn das moralisch Gute sich aus der Aggregation der individuellen Präferenzen ableitet, darf keine vorgängige Moral auf diese Präferenzen Einfluss nehmen. Die Menschen dürfen gar nicht moralisch handeln, weil gerade ihr amoralisches Handeln der Erkenntnisgrund für die Moral ist.[9]

Soweit die Theorie. Für die Praxis stellt sich dem Leser natürlich die Frage, ob die Form des subjektiven Rechts wirklich unmoralische Folgen nach sich zieht oder ob sie nicht übersubjektiven Zielen gesamtgesellschaftlicher Nützlichkeit dient. Aber »natürlich« gilt diese Frage seit Marx als beantwortet.

In Kapitel 8 (177-196) soll der »Mechanismus rechtlicher Ermächtigung« erklärt werden, »durch den das bürgerliche Recht das Subjekt … als Instanz der Autorität hervorruft« (176). Die »Ermächtigung« durch subjektive Rechte ist für M. rechtstechnisch nur eine »Erlaubnis«. Sie schafft keine neuen Handlungsmöglich-keiten – die sind vorrechtlich schon da –, sondern grenzt durch Verbote die Zonen möglicher Handlungen voneinander ab. »Deshalb gilt – nur – hier, daß alles, was nicht verboten ist, erlaubt ist.« (180)

Im juristischen Sprachgebrauch ist eine Erlaubnis die partielle Aufhebung eines Verbots. [10] Vorrechtliche Handlungs-möglichkeiten, die nicht verboten sind, sind nicht erlaubt, sondern freigestellt. Aber das betrifft nur die Sprachregelung. Schwieriger ist die Sachfrage, wie es gelingt, subjektive Privatrechte »aus dem negativen Akt des Erlaubens, was nicht verboten ist« (189) zu erklären, und ob diese Erklärung für Eigentum und Vertrag als Kernbezirke des Privatrechts ausreicht.

M. holt zunächst unter Berufung auf Max Weber aus der »Erlaubnis« eine faktische Ermächtigung heraus. Die Erlaubnis begründe entsprechende Erwartungen und sei damit »produktiv«. Dürfen sei Können (194f). Es ist nicht ganz einfach zu verstehen, wieso die Freistellung möglicher Handlungsweisen eine Ermächtigung bildet. Diese Betrachtungsweise wird aber plausibel, wenn man die implizite oder explizite Freistellung von Handlungen als performativen Akt versteht. Das ist es wohl, was an anderer Stelle (z. B. S. 180) Naturalisierung genannt wird. Soweit die faktische Seite.

Die rechtstheoretische Seite der Angelegenheit diskutiert M. mit Georg Jellinek, der gegen die liberale Deutung des Privatrechts als Erlaubnis geltend machte, das ganze Privatrecht erhebe sich auf Basis des öffentlichen[11]. M. meint, Jellinek habe sich selbst nicht richtig verstanden (183). Das soll heißen, Jellinek sei nicht radikal genug gewesen, weil er das Privatrecht neben dem öffentlichen habe stehen lassen und damit dessen öffentliche und politische Dimension noch nicht voll erkannt habe; das sei erst Kelsen gelungen indem er die Rechtserzeugungsfunktion und die damit gegebene Politizität subjektiver Rechte herausgestellt habe.

Für »die negative, privatrechtsliberale Definition der rechtlichen Ermächtigung – nur als Erlaubnis – « zitiert M. Jellinek mit den Sätzen: »Wenn die Privatrechtsordnung die wirtschaftlichen Verkehrsverhältnisse regelt, so fügt sie der freien Bewegung des Individuums gegenüber den anderen keineswegs ein neues Moment hinzu. Die Rechtsverhältnisse waren als Lebens-verhältnisse schon längst vorhanden, bevor sie einer rechtlichen Normierung unterworfen wurden.« In der Tat erscheint Jellinek hier inkonsequent. Er vergisst für einen Moment sein »Argument gegen den Privatrechtsliberalismus, das besagt, dass die Rechtsordnung dem erlaubten natürlichen Können in der Gestalt des rechtlichen Könnens noch etwas hinzufügt.« (181) Das wird deutlicher wenn man das Jellinek-Zitat um einen Satz verlängert: »Auch wenn ein anderes privatrechtliches Institut vom Staate geschaffen wird, so enthält diese Schöpfung doch nur die Gestattung, dass der individuelle Wille sich nach einer neuen Richtung betätige. Die Rechtsordnung erkennt die betreffenden Handlungen als erlaubt an, d. h. sie gestattet, dass der individuelle Wille nach gewissen Richtungen seine natürliche Freiheit gebrauche.«[12] Das passt nicht zu Jellineks These, dass es kein (privatrechtliches) Dürfen ohne (öffentlich rechtliches) Können gebe.

Hier geht es nicht um Text und Thesen Jellineks, sondern um M.s »Kritik der Rechte«. Letztere fällt aber bis zu einem gewissen Grade in sich zusammen, wenn Jellineks Theorie von der öffentlichen rechtlichen Basis des Privatrechts die Operation moderner Rechtssysteme zutreffend beschreibt, was M. letztlich nicht in Abrede stellt. Dann bleibt nämlich für die bloße Erlaubnis zur Betätigung der natürlichen Freiheit wenig Raum.

Wenn M. sich für den Charakter des subjektiven Rechts als bloße Freistellung auf Hegel beruft (179f), so trifft er wohl das Selbstverständnis des Privatrechtsliberalismus, aber nicht die Operationsweise des modernen Rechts. Subjektive Privatrechte lassen sich nicht aus der bloßen Freistellung eines Handlungsraums und seiner Absicherung durch Verbote in Verbindung mit dem Gleichheitssatz erklären. Das Problem liegt darin, dass die Verbote, die eine Freiheitssphäre schützen, entgegen der kantischen Idee nicht aus dem Begriff der Freiheit abgeleitet werden können[13]. Aus einer Freiheit = Freistellung folgen (logisch) keine Rechte gegen oder Pflichten von Dritten. Die rechtliche Umhegung der Freiheit ergibt sich erst aus (rechts-)politischen Entscheidungen, die zwangsläufig mehr oder weniger distributive und paternalistische (Neben-)Wirkungen haben.[14] Als Raum bloßer Erlaubnis bleibt nur, was durch Strafrecht und das Recht der unerlaubten Handlung indirekt geschützt ist. Für diesen Raum negativer Freiheit hat H. L. A. Hart[15] den Begriff des protective perimeter geprägt. Der Raum des bürgerlichen Privatrechts mit seinen subjektiven Rechten ist dagegen vollständig durch öffentlich rechtlich verantwortete Institutionen ausgestaltet.

100 Jahre nach Jellinek fällt es leicht zu sagen, dass das Privatrecht nicht bloß erlaubt, sondern die Möglichkeiten rechtlichen Könnens umfassender gestaltet. Alle relevanten Handlungsmöglichkeiten haben eine institutionelle Basis, an der immer auch Recht beteiligt ist. Zwar ermächtigen die Institutionen des Privatrechts zu rechtlichem Können für weitgehend unbestimmtes Dürfen. Insofern bleibt es bei der »Erlaubnis des Beliebens« (195), das heißt, rechtliches Dürfen wird nicht durch externe Moral oder Vernunft vorgegeben. Aber das »Belieben« muss das Nadelöhr oder Scheunentor rechtlichen Könnens passieren. Eine Kritik der subjektiven Rechte kann daher nur unmittelbar bei der Rechtspolitik ansetzen, die das Tor mehr oder weniger geöffnet hat. Es macht dagegen wenig Sinn, die »immanente Politizität der subjektiven Rechte« (189) zu beklagen.

»Man wird selten eine klare Definition des Politischen finden«, sagte Carl Schmitt.[16] Für M. sind politisch »Rechte zur Rechtsveränderung, zur Veränderung des Rechts als des normativ gültigen« (190, 226f). Die These von der »Rechtserzeugungs-funktion« des Privatrechts gehört zum Grundbestand der Rechtstheorie. Verträge und Gestaltungsrechte fügen sich mit ohne weiteres in den Stufenbau der Rechtsordnung ein. Aber sie unterscheiden sich von den »eigentlichen« Rechtsquellen dadurch, dass sie nur konkret-individuelle Rechtsnormen begründen oder verändern, die unbeteiligten Dritten gegenüber keine Verpflichtungs-, sondern nur eine Tatbestandswirkung haben. M. bleibt eine Erklärung schuldig, wieso private Rechtssetzung »für alle gültig« (190) sein soll. Kelsen ist dafür kein guter Beleg, denn er sieht die Rechtsetzungsfunktion bei Privatrechten gerade im Gegensatz zu den eigentlich politischen Rechten[17]. Der Satz, »daß jeder Adressat von Rechten der Möglichkeit, also seiner Berechtigung nach Mitautor des Rechts ist« (191), hat deshalb einen großen rhetorischen Überschuss. Alles Recht ist politisch. Das ist uns schon so oft versichert worden, dass die Aussage trivial geworden ist. Wenn man mit Jellinek und Kelsen auch subjektive Privatrechte im öffentlichen Recht begründet sieht, dann haben sie quasi per definitionem politischen Charakter.

Die politische Qualität der subjektiven Rechte hat sogar »doppelte Gestalt« (189), weil diese Rechte die staatsbürgerliche Mitwirkung immanent voraussetzen. Dadurch »gewinnt der Begriff des Politischen … einen Doppelsinn, der die Idee und Wirklichkeit der bürgerlichen Politik bestimmt (und zerreißt).« (190) Wo steckt hier der Doppelsinn, in der Begriffsbildung des Beobachters oder in den Köpfen der Beobachteten?

[1] Die erste Lieferung gab es am 1. 5. 2016 unter der Überschrift »Hauptsache Moral, welche ist egal«.

[2] M. = Menke. Zahlen in Klammern sind Seiten des Buches. Kursivschrift in Zitaten folgt dem Original. Eckige Klammern in Zitaten enthalten Ergänzungen, die den Sprachfluss sicherstellen sollen.

[3] Für den eiligen Leser reicht die Zusammenfassung S. 248-253.

[4] Bei Luhmann heißt das Variation der Semantik. Den Wechsel von einer Pflichtensemantik zur Rede von subjektiven Rechten erklärt Luhmann damit, dass Rechte seiner Zeit ein unerfüllte Desiderat waren (Subjektive Rechte: Zum Umbau des Rechtsbeußtseins für die moderne Gesellschaft, in: Luhmann, Gesellschaftsstruktur und Semantik, Bd. 2, 1981, 45-104.

[5] Das wird in Endnote 4 auf S. 438 als Luhmann-Zitat ausgewiesen (a. a. O. Fn.  4 S. 84). Der ganze Satz Luhmanns lautet:»Die Inklusion der Bevölkerung in das Gesellschaftssystem muß auf neue Formen gebracht werden, und dies Desiderat wird in die Form subjektiver Rechte gekleidet, weil es noch nicht realisiert ist.« Luhmann hat also an dieser Stelle ein anderes Thema. Er betont den Wechsel der Semantik von Pflichten zu Rechten. Luhmanns Deutung der Figur des subjektiven Rechts passt überhaupt nicht zu M.s Argumentation, denn Luhmann geht es darum, »daß [die Rechtsentwicklung] allgemeine, gesellschaftlich fundierte Normen zur Rechtsfigur des subjektiven Rechts abstrahiert«. Dieses Luhmann-Zitat hat aus dem »Recht der Gesellschaft« hat M. in die Endnote verbannt.

[6] Michel Foucault, Geschichte der Gouvernementalität II: Die Geburt der Biopolitik. Vorlesung am Collège de France 1978–1979, 2004, S. 373 (Vorlesung 11 vom 28. März 1979).

[7] Christoph Menke, Subjektive Rechte und Menschenwürde . Zur Einleitung, Trivium 3, 2009, Rn. 4 [http://trivium.revues.org/3296].

[8] Foucault a. a. O. S. 382.

[9] Das Argument stammt nicht von mir. Aber ich weiß nicht mehr, von wem ich es gelernt habe.

[10] Georg Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Aufl. 1905, S. 46: »Allein diese Erlaubnis ist rein negativ, ihr ganzer Effekt konsumiert sich in der Aufhebung eines Verbots.« Dagegen verwendet der an anderer Stelle von M. angeführte Robert Alexy »Erlaubnis« auch im Sinne von Freistellung (Theorie der Grundrechte, 1985, Kap. 4 II, in der Suhrkampausgabe S. 206ff.), betont aber, dass es sich um eine »schwache« Erlaubnis handelt.

[11] System S. 82. Vgl. auch S. 10: »Ohne öffentliches Recht kein Privatrecht.«

[12] System S. 45f.

[13] Marietta Auer, Subjektive Rechte bei Pufendorf und Kant. Eine Analyse im Lichte der Rechtskritik Hohfelds, AcP 208, 2008, 584-634. Auer beruft sich dafür mit J. W. Singer und Duncan Kennedy auf Hohfelds analytisches Schema der Rechte. Das folgt aber einfacher aus der Figur der Freistellung im traditionellen Normenquadrat.

[14] Marietta Auer, Der privatrechtliche Diskurs der Moderne, 2014, 56ff.

[15] H.L.A. Hart, Legal Rights, in: ders., Essays on Bentham, 1982, S. 180ff. Harts Beispiel: Meine Freiheit, mir den Kopf zu kratzen, ist zwar nicht durch direkte Verpflichtungen anderer, mich gerade daran zu hindern, gesichert, aber doch durch einen Kranz allgemeiner Verhaltenspflichten, etwa die Pflicht, körperliche Angriffe zu unterlassen.

[16] Der Begriff des Politischen, Text von 1932 mit einem Vorwort und drei Corollarien., 3. Aufl. der Ausg. von 1963, 1991, S. 21.

[17] Hans Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl. 1960, S. 144.

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