Film und Recht: Vom Seminar zum Handbuch

In diesen Tagen ist Stefan Machura auf Einladung der Fakultät für Sozialwissenschaft in Bochum zu Besuch. Von 1992-1998 war er Assistent am Lehrstuhl für Rechtssoziologie und Rechtsphilosophie der Juristischen Fakultät der Ruhr-Universität. Heute ist er Professor of Criminology and Criminal Justice an der Universität Bangor, Wales (UK).

Auf der Webseite von Herrn Machura findet man die Internetadresse des Bandes Criminology and Criminal Justice, der soeben in der Reihe der Oxford Research Encyclopedias erschienen ist. Herr Machura ist als Mitherausgeber für 122 Artikel über Crime, Media, and Popular Culture verantwortlich. Zwei hat er auch selbst verfasst. Vorläufig ist das Ganze noch frei im Internet zugänglich.

Für mich ist das Handbuch Anlass, daran zu erinnern, wie alles angefangen hat. 1985 war ich, von Madison kommend, zum ersten Mal in St. Louis, Missouri, an der St. Louis University (SLU), um die dortige Law School für eine Partnerschaft mit unserer Bochumer Juristenfakultät zu gewinnen. (Die Pbartnerschaft war über zwei Jahrzehnte sehr lebendig.) Gleich bei meinem ersten Besuch lernte ich den Kollegen Francis M. Nevins kennen. Bei späteren Besuchen haben seine Frau und er mich auch in ihrem Haus aufgenommen, wo ich den gewaltigen Röhrenprojektor bestaunte, mit dem Nevins seine Filmsammlung musterte. Nach deutschen Begriffen war Nevins Zivilrechtler, seine Fächer vor allem Urheberrecht sowie mehr oder weniger alles, was bei uns unter die Freiwillige Gerichtsbarkeit fällt. Seine Leidenschaft waren jedoch Kriminalromane und Filme. Er war Testamentsvollstrecker des Krimiautors Cornell Woolrich und schrieb selbst ein halbes Dutzend Kriminalromane.

Seit 1979 hielt Nevins in St. Louis ein Seminar über »Law, Lawyers and Justice in Popular Fiction and Film«.[1] Ich durfte gelegentlich teilnehmen und fand das so reizvoll, dass ich dieses Format in Bochum kopieren wollte. Aber irgendwie fehlten mir Feeling und Kompetenz für die Materie. Und so kam es, dass ab 1995 zwei Mitarbeiter, Stefan Machura und Stefan Ulbrich, zu denen sich später noch Michael Böhnke gesellte, formal in meinem Auftrag, ein Seminar über »Recht im Film« anboten, das zugleich für Studierende der Film- und Fernsehwissenschaft sowie der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft geöffnet war, das über viele Jahre erfolgreich gelaufen ist und aus dem stattliche Veröffentlichungen[2] entstanden.

Seit Ende der 1970er Jahre gerieten die Publikumsmedien mehr und mehr auf den Themenzettel der Law and Society Association und damit in den Blick der Rechtssoziologie. Dabei ging es auf der einen Seite um die Berichterstattung der Medien über die Justiz. Auf der anderen Seite ging es um die damals populären Anwalts- und Gerichtsserien im Fernsehen. Damit wurde die Thematik breiter. »Recht im Film« stand nur noch pars pro toto für fact and fiction in der Popularkultur, insbesondere in den Publikumsmedien.

Während ich selbst mich mehr für den Zusammenhang von Medienwandel und Rechtsentwicklung interessierte – daraus wurde das Projekt Visuelle Rechtskommunikation – blieb Herr Machura dem Thema »Recht und Film« treu, etwa mit dem Projekt Kultivierungseffekte des Justiz- und Anwaltsfilms[3]. Auf der gerade angekündigten Tagung der deutschsprachigen Rechtssoziologie-Vereinigungen in Basel 2018 organisiert er den Themenstrang »Recht und Medien«. Die jüngsten einschlägigen Veröffentlichungen sind wohl zwei Artikel in dem eingangs erwähnten Handbuch: Representations of Law, Rights, and Criminal Justice sowie (zusammen mit Michael Böhnke) The Legal System in German Popular Culture.

Nun ist aus dem Seminar also ein Handbuch geworden. Das ist nicht nur wegen der damit verbundenen Wissenschaftskarriere interessant, sondern weil die Handbuchreife einer Disziplin ein Anzeichen für die Konvergenz ihrer Wissensbestände bildet. Aber das ist Thema für ein neues Posting.

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[1] Francis M. Nevins hat zum Thema »Recht im Film« mehrere Veröffentlichungen vorgelegt, z.B. Through the Great Depression on Horseback. Legal Themes in Western Films of the 1930s, in: John Denvir (Hg.), Legal Reelism. Movies as Legal Texts, University of Illinois Press, Urbana 1996, 44-69; ders., Cape Fear Dead Ahead: Transforming A Thrice-Told Tale of Lawyers and Law, Legal Studies Forum 2000, 611-644; Using Fiction and Film as Law School Tools, in: Stefan Machura/Stefan Ulbrich (Hg.), FS Röhl, 2003, 175-181.

[2] Stefan Machura/Stefan Ulbrich, Recht im Film: Abbild juristischer Wirklichkeit oder filmische Selbstreferenz, Zeitschrift für Rechtssoziologie 1999, Heft 1, 168-182; dies. (Hg.), Recht im Film, Nomos Verlag, Baden-Baden 2002; Stefan Machura/Peter Robson (Hg.), Law and Film, Blackwell, Oxford u.a. 2001; darin: Michael Böhnke, Myth and Law in the Films of John Ford (S. 47-63) sowie Stefan Machura/Stefan Ulbrich, Law in Film: Globalising the American Courtroom Drama (S. 117-132, auch in: Journal of Law and Society 28, 2001, 117-132); Stefan Ulbrich, Gerichtsshows als mediales Format und ihre Bedeutung für das Recht, FS Röhl, 2003, 161-174. Ferner als Baustein des Projekts Visuelle Rechtskommunikation von Stefan Machura und Stefan Ulbrich Recht im Film.

[3] Der DFG-Antrag trägt nur pro forma meinen Namen, weil Herr Machura damals nicht antragsberechtigt war.

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