Satire, Fake News und Hate Speech

Heute ein Zwischenruf aus meinem Notizbuch. Vor zwei Jahren schon hatte ich einen Eintrag zur Ästhetik der Satire angekündigt. Was ich mir dazu notiert hatte, betraf eher deren Geschmacklosigkeit.

Wo endet die Freiheit des ästhetischen Urteils? Wo beginnt ästhetische Diskriminierung oder gar ästhetischer Rassismus? Diese Frage richtet sich auch an die so beliebte Satire, zumal wenn sie Bilder einsetzt. Bilder haben per se eine stärkere ästhetische Anmutung als Sprache. Die HeuteShow im ZDF nutzt die Möglichkeit der digitalen Bildbearbeitung für Effekte, die, würden sie sprachlich ausformuliert, unter der Gürtellinie träfen. Hier ein noch relativ harmloses Beispiel aus der Heute-Show vom 20. 11. 2020:

Personen werden mit ihren Gesichtszügen, Bewegungen oder anderen Äußerlichkeiten in einer Weise vorgeführt, für die despektierlich noch ein mildes Attribut darstellt. Beliebte Gags sind ungewöhnliche Perspektiven, Zeitlupe oder Wiederholungen kurzer Ausschnitte, welche die Betroffenen als Trottel erscheinen lassen. Rechtlich ist das, jedenfalls wenn Prominente betroffen sind, alles nicht greifbar. Ein Schüler, der auf Facebook oder Instagram das leicht entstellte Bild einer Mitschülerin auf einer Schnecke reiten ließe, wie die HeuteShow die Bundeskanzlerin, bekäme Ärger wegen Cybermobbing.

Ich habe das Kabarett einst sehr geschätzt. Es gibt immer wieder Comedians, denen es gelingt, die Probleme der Welt elegant und geistreich aufzuspießen. Der originale Wortwitz etwa eines Olaf Schubert schafft echtes Vergnügen. Die Karikaturen von Greser & Lenz haben ihren eigenen Stil und stechen oft in faule Diskursknoten. Aber es gibt gute und schlechte Satire.

Die Satire muss sich auch ihrerseits ein Geschmacksurteil gefallen lassen. Das Kabarett war einmal Kleinkunst (mit Betonung auf der zweiten Silbe). Man erinnert sich mit Vergnügen an die Münchener Lach- und Schießgesellschaft, an die Berliner Stachelschweine oder an das Düsseldorfer Kommödchen. Und natürlich an Georg Kreisler mit seinem Schlager »Geh’ ma Hundevergiften im Park«[1]. Satire ist jedoch weithin zu einem Massenprodukt geworden. Witz und Eleganz werden durch Lautstärke und Grobheiten ersetzt. Spezialität der Heute Show sind billige Bildmanipulationen. Ihre Satire zeichnet sich durch eine Pseudoästhetik der Häme aus. Damit setzt sie Maßstäbe für die Social Media und für die Alltagswelt. Der kurze Weg von Karikatur und Comedy zu Fake News und Hate Speech führt über verzerrte Gesichter sowie verkürzte und verfremdete Wort- und Bildzitate.

Nachtrag: Von den Medien, die für sich Seriosität in Anspruch nehmen, zeichnet sich neben der Heute Show besonders das relativ neue elektronische Medium The Pioneer von Gabor Steingart aus. Dort wird fast jede Ausgabe mit einem Deepfake prominenter Personen eingeleitet.


[1] So hatte die Satire-Zeitschrift Kot & Köter das bekannte Taubenlied umgedichtet, was ihr ein Ermittlungsverfahren eintrug.

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