In Bochum gibt es wieder Rechtssoziologie

Die Juristische Fakultät der Ruhr-Universität hat sich schon vor vielen Jahren von der Rechtssoziologie verabschiedet. Nun entwickelt sich der Lehrstuhl für Politikwissenschaft der Bochumer Sozialwissenschaftlichen Fakultät zum Zentrum für Rechts­soziologie. Die Lehrstuhlinhaberin, Professorin Britta Rehder, hat dafür in ihrer Habilitationsschrift von 2011 »Rechtsprechung als Politik« den Grund gelegt. Dem Interesse für die rechtliche Institutionalisierung der Arbeitsbeziehungen ist sie treu geblieben. Doch längst hat sie das Themenspektrum auch auf andere Bereiche der Rechtssoziologie ausgedehnt. Erst in diesem Jahr erschien in dem von Armin Höland und Felix Welti herausgegebenen Sammelband »Recht und Praxis der Widerspruchsausschüsse in der Sozialversicherung« von Rehder der Beitrag »Konflikte vor den Sozialgerichten aus politikwissenschaftlicher Perspektive: Thesen und Forschungsperspektiven«. Ein Vortrag, den Frau Rehder und ihre Mitarbeiterin Katharina van Elten auf dem Kongress der deutschsprachigen Rechtssoziologie-Vereinigungen 2018 in Basel gehalten haben, ist soeben in der Zeitschrift für Rechtssoziologie erschienen: Legal Tech & Dieselgate. Digitale Rechtsdienstleister als Akteure der strategischen Prozessführung[1]. Das Thema ist am Lehrstuhl von Prof. Rehder in ein Projekt »Digitale Rechts­mobilisierung. Eine Provokation für die Selbstverwaltung?« eingebettet.

Nunmehr organisieren Frau van Elten und Frau Rehder die Tagung »Organisierte Interessen und Recht, organisierte Interessen im Recht«, die am 28./29. November 2019 in Bochum stattfinden soll.[2] Beide werden dort selbst über »Klagende Verbände. Drei Logiken des justiziellen kollektiven Handelns in Deutschland« vortragen. Auch sonst stehen rechtsoziologische Themen auf dem Programm. Als alte Bekannte erscheinen Thomas Gawron und Ralf Rogowski, die über »Rechtsbeziehungen zwischen Organisierten Interessen und Bundesverfassungsgericht« referieren wollen.

Da die Tagung in Bochum stattfindet, habe ich mich selbst auch noch einmal zu Wort gemeldet. Mein Thema lautet »Feminismus, Gender Studies und Rechtsentwicklung«. Als Untertitel habe ich vorgesehen »Geschlechterforschung als Interessenten­wissen­schaft«. Die Vorbereitung des Vortrags hat mich in den letzten Wochen so beschäftigt, dass ich Rsozblog vernachlässigt habe. Natürlich ist der Vortrag noch nicht ganz fertig. Aber heute kann ich doch schon einmal eine noch ganz vorläufige Zusammenfassung geben. In weiteren Postings, so jedenfalls der Plan, werde ich Resteverwertung betreiben, das heißt, ich werde Material und Gedanken ausbreiten, die sich bei der Vorbereitung angesammelt haben, für die im Vortrag kein Platz ist. Nun aber die angekündigte Zusammenfassung:

Die Frauenbewegung und die Bewegung der Lesben und Schwulen finden in der Geschlechterforschung eine starke Stütze, der sie viel von ihrer politischen und letztlich rechtlichen Wirksamkeit verdanken. Umgekehrt lebt diese Forschung davon, dass sie von Interessen getragen wird. Das wäre für sich genommen noch nicht bemerkenswert. Auch andere soziale Bewegungen wie die Arbeiterbewegung und die Umweltbewegung verfügen über eine wissenschaftliche Basis. Die Geschlechterforschung zeigt jedoch eine Besonderheit, die Aufmerksamkeit verdient, nämlich die Allianz von Feminismus und Queer-Theorie unter dem Dach der Gender Studies. Was auf den ersten Blick wegen unterschiedlicher Interessen überrascht, hat sich als durchsetzungsstarke Formation organisierter Interessen erwiesen. Die Allianz ist für beide Seiten strategisch vorteilhaft. Dem Feminismus hat sie eine intellektuelle Erneuerung gebracht. Die Bewegung der Queers hat sich damit aus einer Minderheitensituation befreit. Es sind jedoch Zielkonflikte eingebaut, die zum Vorschein kommen, wenn es bei der Interessenvermittlung konkret wird. Die Lektüre von Entschei­dungen des Bundesverfassungsgerichts lässt Wege der Einflussnahme erkennen. Bei der Einwirkung auf die Öffentlichkeit zeigt die kommunikative Arena jedoch eine Eigendynamik, die sich gegenüber dem queerfeministischen Diskurs als resistent erweist.

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[1] Zeitschrift für Rechtgssoziologie 39, 2019, 64-86. Gerade heute findet sich im Wirtschaftsteil der FAZ ein Bericht von Ulla Fölsing über den Prozessfinanzierer Jubel, der am Dieselskandal mitverdienen will.

[2] Veranstalter ist der Arbeitskreis Organisierte Interessen in Kooperation mit der Sektion Policy-Analyse und Verwaltungswissenschaft der DVPW.

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