Das Rechtssystem in Zahlen

Gerade ist das Statistische Jahrbuch 2010 erschienen. Es lässt sich ganz oder kapitelweise herunterladen. Aus dem Kapitel 10 über die Justiz erfährt man etwa, dass es im Jahre 2009 in Deutschland 20 101 Richter, 5 111 Staatsanwälte und 143 647 Rechtsanwälte gab, dass im Jahre 2008 874 691 Personen wegen eines Vergehens und Verbrechens verurteilt wurden, dass bei den Amtsgerichten 1 314 738 und bei den Landgerichten 381 014 neue Klagen eingingen oder dass die Zahl der Amtsgerichte auf 661 geschrumpft ist. Um solche Daten einzuordnen, benötigt man einen Überblick über das Rechtssystem mit Vergleichszahlen und möglichst auch Zeitreihen. Ich habe deshalb vor vielen Jahren einmal versucht, eine Dissertation über »Das Rechtssystem in Zahlen« zu veranlassen. Leider hat die Bearbeiterin nach verheißungsvollen Anfängen wegen anderer Interessen aufgegeben. Ich halte das Thema aber nach wie vor für bearbeitungswürdig.
Ich würde von einem ganz naiven Systembegriff ausgehen und das Rechtssystem als ein Teilsystem der Gesellschaft behandeln, das im allgemeinen Bewusstsein regelmäßig klar von anderen Teilsystemen abgegrenzt ist. Als Teilsysteme der Gesellschaft kommen etwa in Betracht die Wirtschaft, die Kultur, die Religion, Erziehung, Sport oder Verkehr. Gewisse Abgrenzungsprobleme gibt es zum Teilsystem der Politik. Aber darauf kommt es hier nicht an. Viele Bereiche gehören mehreren Systemen gleichzeitig an. So sind die Parlamente ein Teil der Politik ebenso wie des Rechtssystems. Juristische Fakultäten gehören zu Erziehung und Wissenschaft aber auch zum Recht.
Folgende Bestandteile des Rechtssystems sollten näher betrachtet werden: Organisatorische Einheiten, Personal, Verfahren, Betroffene, Kosten und Informationen.
Als organisatorische Einheiten des Rechts kommen Gerichte, Justizvollzugsanstalten, Juristische Fakultäten, die Anwaltschaft, das Parlament und Justizministerien in Betracht. Auch die Rechtsschutzversicherungen kann man hierzu rechnen. Auch die öffentliche Verwaltung sollte einbezogen werden.
Zum Personal zählen Richter und Staatsanwälte, Rechtsanwälte und Notare, vielleicht auch Steuerberater. Rechtsprofessoren, Studenten und Referendare gehören dazu, ebenso Rechtspfleger, Gerichtsvollzieher und anderes Hilfspersonal. Von Interesse sind ferner Juristen in Verwaltung und Wirtschaft und arbeitslose Juristen.
Als Verfahren sind natürlich Zivilprozesse und Strafverfahren und all die vielen anderen Prozesse, Konkurse, Vergleiche und Zwangsvollstreckungen gemeint.
Betroffene sind Kläger und Beklagte, Verurteilte und sonstige Beteiligte, und am Rande auch Zeugen, Sachverständige oder Dolmetscher.
Die Kosten spiegeln sich in den Justizhaushalten des Bundes und der Länder. Kosten fließen vor allem als Gerichtsgebühren, Anwaltskosten oder Kosten für Zeugen und Sachverständige.
Im Rechtssystem werden Informationen gespeichert, verarbeitet und produziert. Informationen in diesem Sinne sind Gesetze und Verordnungen, Entscheidungen und juristische Literatur. Zur Bereitstellung des relevanten Rechtswissens gibt es spezielle Informationssysteme. Juristische Informationssysteme bilden natürlich die Datenbank JURIS, die sich selbst so nennt, aber auch die traditionellen Formen der Wissensspeicherung und Vermittlung wie Gesetzblätter, Entscheidungssammlungen, Bibliotheken und das juristische Verlagswesen. Diese Informationssysteme könnten auch als Institutionen aufgeführt werden, sollten jedoch wegen des Sachzusammenhangs vielleicht zusammen mit den Informationen dargestellt werden.
Es geht nicht darum, selbst zu zählen, sondern allein darum, die vorhandenen Zahlen, vor allem aus den amtlichen Statistiken, zusammenzutragen und sie in einer sinnvollen Weise darzustellen. Erforderlich sind dazu eine gute Übersicht über das Gesamtgebiet des Rechts, Sammelleidenschaft und Findigkeit, die Fähigkeit zum Umgang mit Zahlen, Tabellen und Graphiken. Auf den ersten Blick könnte die Sache nach einer Fleißarbeit aussehen, ist sie aber nicht. Es geht zwar nicht ohne Fleiß. Vor allem aber ist ein gutes Urteilsvermögen erforderlich, damit kein bloßer Zahlenfriedhof entsteht. Das Vorhaben hat ein erhebliches Frustrationspotential, weil alle Zahlen schnell veralten. Eine gewisse Erleichterung – und ein Angebot an die Nutzer einer solchen Arbeit – bietet da die Möglichkeit, Reihen, zu denen immer wieder neue Zahlen zu erwarten sind, so anzulegen, dass sie laufend ergänzt werden können.
Vorsorglich sollte ich darauf hinweisen, dass ich selbst keine Dissertationen mehr betreue.

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