Mehr Mut zur Gestattung der Namensänderung als Integrationshilfe

Für den Einheimischen ist es schwer, die Befindlichkeit von Menschen nachzufühlen, die durch ihren Namen sogleich als Zugewanderte identifiziert werden können. Vermutlich streiten unterschiedliche Gefühle, einerseits eine heimatliche und familiäre Identität, andererseits der Wunsch, sich einer neuen Umwelt anzupassen. Im Spiel ist auch ein gesunder Opportunismus, der allfälligen Diskriminierungen ausweichen will.

Jeder kennt Beispiele für die Anglisierung fremdländischer Namen. Die simpelsten wären Bill für Wilhelm und Miller für Müller. In vorbürokratischen Zeiten geschahen solche Einbürgerungen mehr oder weniger von allein. Meldewesen und Datenverarbeitung lassen jedoch keine informellen Namensänderungen mehr zu. Für formelle Namensänderungen sind in Deutschland Personenstands- und Namensänderungsgesetz maßgeblich. Danach unterscheidet man die personenstandsrechtliche und die öffentlich-rechtliche Namensänderung.[1]

Ausländer haben im Falle der Einbürgerung nach Art. 47 EGBGB[2] ein beschränktes Wahl- und Änderungsrecht hinsichtlich ihres Namens. Ferner bietet bei Eheschließungen die Wahl des Ehenamens Gelegenheit, einen ausländisch klingenden Namen abzulegen. Es wäre interessant zu wissen, in welchem Umfang von diesen Wahlrechten Gebrauch gemacht wird. Daraus könnte man einen Eindruck gewinnen, ob die Betroffenen überhaupt einen Bedarf sehen. Dazu gibt es aber anscheinend keine Zahlen.

Im Übrigen ist für die öffentlich-rechtliche Namensänderung das Namensänderungsgesetz einschlägig, wenn Menschen ihren fremdländisch klingenden Namen ablegen wollen. Es bestimmt in § 3 Abs. 1, dass ein Familienname nur geändert werden darf, wenn ein wichtiger Grund die Änderung rechtfertigt. Damit steht die Zulässigkeit der Namensänderung weitgehend im Ermessen der Behörde und letztlich in der Hand der Gerichte, die dieses Ermessen überprüfen. Da drängt sich die Frage auf, ob angesichts der aktuellen Integrationsprobleme der Integrationswunsch des Namensträgers stärker ins Gewicht fallen sollte.

Das Ermessen der Verwaltungsbehörden wird durch eine Allgemeine Verwaltungsvorschrift (NamÄndVW) gesteuert, deren Nr. 37 besagt:

(1) Aus der Tatsache allein, daß ein Familienname fremdsprachigen Ursprungs ist oder nicht deutsch klingt, kann ein wichtiger Grund für eine Namensänderung im allgemeinen nicht abgeleitet werden; jedoch werden bei fremdsprachigen Familiennamen die Voraussetzungen der Nummer 36 häufig vorliegen.

(2) Im Anschluß an die Einbürgerung eines Ausländers kann der Familienname geändert werden, wenn dieser die ausländische Herkunft des Namensträgers in besonderem Maße erkennen läßt und der Antragsteller im Interesse der weiteren Eingliederung Wert auf einen unauffälligeren Familiennamen legt.

(3) Außerdem können Besonderheiten ausländischen Namensrechts, die bei Gebrauch im Geltungsbereich des Gesetzes hinderlich sind, durch eine Namensänderung beseitigt werden.

Die Nr. 36, auf die hier verwiesen wird, lautet:

Führen Schwierigkeiten in der Schreibweise oder bei der Aussprache eines Familiennamens zu einer nicht nur unwesentlichen Behinderung des Antragstellers, so ist eine Namensänderung regelmäßig gerechtfertigt. Gleiches gilt für Doppelnamen und sehr lange oder besonders umständliche Familiennamen (z.B. »Grüner genannt Waldmüller«).

Was für die Änderung des Familiennamens gilt, hat entsprechend für die Änderung von Vornamen Bedeutung.

Wiewohl die Förderung der Integration bei Art. 47 EGBGB grundsätzlich als Gesetzeszweck anerkannt wird, verfahren die Gerichte bei der Auslegung von § 3 des Namensänderungsgesetzes eher zurückhaltend, indem sie sich eng an die Verwaltungsvorschrift halten und allein den Auslandsbezug des Namens nicht als Änderungsgrund gelten lassen. Zwar hatte das Bundesverwaltungsgericht 1958 eine großzügige Vorgabe gemacht:

»Es stellt einen wichtigen Grund für die Änderung eines ausländischen Familiennamens dar, wenn der Namensträger als Flüchtling bei seiner Eingliederung in das wirtschaftliche und soziale Leben der Bundesrepublik infolge der Führung seines ausländischen Namens objektive oder psychologisch bedingte Schwierigkeiten hat.«[3]

Aber die Verwaltungsgerichte schöpfen diess Angebot nicht aus. Das VG Augsburg vom 19. 10. 2010 meinte, es sei nicht Aufgabe des Namensrechts, vor einer Diskrminierung im Arbeitsleben zu schützen. Da habe der Bund mit seinem Gleichbehandlungsgesetz doch eigentlich genug unternommen.[4] Diese Linie setzt das VG Göttingen in einem U. vom 25. 4. 2012 fort. Ein neueres Urteil des VG Stade vom 30. 4. 2015[5] klingt etwas großzügiger. Allerdings lag der Fall, wie so oft, etwas komplizierter. Im Hintergrund stand die Geschichte einer aramäischen Familie, deren Name in der Türkei zwangsweise geändert worden war, und damit § 44a NamÄndVW, der aber nicht direkt anwendbar war. Die Verwaltungsbehörde hatte sich u. a. darauf gestützt, dass die Eltern des Antragstellers nicht gleich nach der Einbürgerung die Namensänderung beantragt hatten. Das Gericht meinte, das dürfe dem Antragsteller nach Erreichen der Volljährigkeit nicht entgegengehalten werden. Restriktiv dagegen OVG Brandenburg vom 18. 02. 2015[6], das bei der Abweisung eines Prozesskostenhilfeersuchens für die Frage einer »problemlosen und ungestörten Integration« auf eine konkrete Störung abstellt und sich nicht mit allgemeiner Erfahrung zufrieden gibt. Das Verwaltungsgericht Braunschweig soll in einem Urteil vom 17.06.2015 iner deutsch-türkischen Familie die Änderung ihres Nachnamens abgelehnt haben, denn allein ein ausländisch klingender Familienname rechtfertige keine Namensänderung.[7] Dieses Urteil hat wohl auch Kritik sowohl der niedersächsischen Migrationsbeauftragten Doris Schröder-Köpf als auch der früheren VGH-Präsidenten aus Münster, Bertram, hervorgerufen. Bemerkenswert ein Leserkommentar, der darauf hinweist, dass der Großvater der Bundeskanzlerin 1930 seinen Namen (Ludwig) Kazmierczak in Kasner habe ändern dürfen.[8]

Die meisten Antragsteller scheitern, weil sie nicht vortragen und nachweisen, dass ihnen wegen ihres ausländischen Namens bereits Schwierigkeiten entstanden seien. Dabei käme es doch darauf an, solchen Schwierigkeiten vorzubeugen. Die Gerichte müssten sich deshalb auf einen allgemeinen Erfahrungssatz berufen, wonach ein fremdländischer Name die Integration erschwert. Dazu sind sie bisher nicht bereit, vielleicht, weil dazu einschlägige Forschung fehlt. Immerhin gibt es klare Hinweise, dass der Migrationshintergrund die erste Zugangsschwelle erhöht. Die Betroffenen werden häufig gar nicht erst zum Vorstellungsgespräch eingeladen.[9]

Das öffentliche Interesse an einer zuverlässigen Identifizierung und Individualisierung des Namensträgers sollte im Zeitalter der EDV zurückstehen können, denn in den elektronischen Registern kann der geänderte Name leicht mitgeführt werden.

Nachtrag vom 11. Juli 2017: Durch die Nachfrage einer Journalistin, die den Eintrag gelesen hat, erfahre ich, dass der Koalitionsvertrag von CDU und FDP für Nordrhein-Westfalen 2017-2022 auf S. 5 den Passus enthält:

»Gleichzeitig wollen wir den Wünschen vieler zugewanderter Menschen nachkommen und ermöglichen, dass sie ihre Integration durch eine Namensänderung verfestigen können.«

Nachtrag vom 9. September 2017: Hemker, J./Rink, A. (2017), Multiple Dimensions of Bureaucratic Discrimination: Evidence from German Welfare Offices. American Journal of Political Science. doi:10.1111/ajps.12312

Zusammenfassung: Mitarbeiter von Behörden neigen zur Diskriminierung, wenn sie Anfragen von Menschen mit ausländischen Namen erhalten. Das haben Anselm Rink vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und Johannes Hemker (zum Zeitpunkt der Studie an der Columbia University) in einem Experiment herausgefunden. Sie verschickten E-Mails an alle deutschen Jobcenter und stellten Fragen zum Thema Hartz IV. Dabei erhielten Menschen mit türkischen oder rumänischen Namen qualitativ schlechtere Auskünfte als Menschen mit deutschen Namen.

Nachtrag vom 7. 2. 2021: »Mahmuds Schwester heißt Jasmin« – unter dieser Überschrift berichtet Gerald Wagner in der FamS vom 7. 2. 2021 über eine Untersuchung , nach der Migranten ihren Töchtern eher deutsche Namen geben als ihren Söhnen: Jürgen Gerhards/Julia Tuppat, Gendered Pathways to Integration: Why Immigrants‘ Naming Practices Differ by the Child’s Gender, KZfSS 72, 2020, 597-625.

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[1] Über die unterschiedlichen Voraussetzungen informieren die Internetseiten der Kommunen.  Hier die einschlägige Seite der Stadt Bochum zur Namensänderung.

[2] Art. 47 Abs. 1 EGBGB bestimmt:
Hat eine Person nach einem anwendbaren ausländischen Recht einen Namen erworben und richtet sich ihr Name fortan nach deutschem Recht, so kann sie durch Erklärung gegenüber dem Standesamt

  1. aus dem Namen Vor- und Familiennamen bestimmen,
  2. bei Fehlen von Vor- oder Familiennamen einen solchen Namen wählen,
  3. Bestandteile des Namens ablegen, die das deutsche Recht nicht vorsieht,
  4. die ursprüngliche Form eines nach dem Geschlecht oder dem Verwandtschaftsverhältnis abgewandelten Namens annehmen,
  5. eine deutschsprachige Form ihres Vor- oder ihres Familiennamens annehmen; gibt es eine solche Form des Vornamens nicht, so kann sie neue Vornamen annehmen.

[3] BVerwG, Urteil vom 16. Mai 1958 – VII C 142.57 (BVerwGE 15, 183 =DVBl. 1958, 831 = DÖV 1958, 706 =), mehrfach bestätigt, z. B. durch Beschluss vom 18. Mai 1989 – 7 B 69/89.

[4] VG Augsburg Urteil vom 19. Oktober 2010 Az. Au 1 K 10.1382.

[5] JURIS-Link.

[6] JURIS-Link

[7] Nach Legal Tribune Online vom 22. 6. 2015.

[8] Ebd., Kommentar Richard Freitag vom 28. 7. 2015.

[9] Ursula Beicht, Junge Menschen mit Migrationshintergrund: Trotz intensiver Ausbildungsstellensuche geringere Erfolgsaussichten, BIBB-Report, 2011 Heft 16 S. 8. Davon geht auch das Projekt Anonymisierte Bewerbungsverfahren der Antidiskriminierungsstelle des Bundes aus.

 

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