Die Bilder der heimlichen Juristenzeitung

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) ist die heimliche Juristenzeitung. Seit eh und je gibt es mittwochs die Seite »Recht und Steuern«. Ziemlich neu ist die wöchentliche Seite »Staat und Recht«. Dafür verantwortlich ist Reinhard Müller. Auch sonst schreibt er über »alles, was Recht ist«. Die Seite »Die Gegenwart« bot am 8. 9. 2008 einen großen Aufsatz von Roman Herzog und Lüder Gerken über Kompetenzanmaßungen des EUGH, der eine rege Diskussion auslöste. Selbstverständlich, dass die Zeitung über wichtige rechtspolitische Entwicklungen und bemerkenswerte Gerichtsverfahren schreibt. Die Artikel von Friedrich Karl Fromme zu staats- und verfassungsrechtlichen Themen sind in guter Erinnerung. Heute sorgen Alexandra Kemmerer und Melanie Amann für zuverlässige und interessante Berichte. Für den Wirtschaftsteil hat Frau Amann die Anwaltschaft im Blick. Über die Rechtswelt in den USA berichtet zitierwürdig Katja Gelinsky. Im letzten Jahr ist der »Rechtsstab« noch um Hendrik Wieduwilt erweitert worden, der sich der Zeitung dem Vernehmen nach als Blogger [1]Mit Juratexter.de, wo besseres Deutsch für Juristen propagiert wurde. Die Seite wird nicht mehr gepflegt. Wieduwilt bloggt jetzt mit RechtReal über virtuelle Welten und Recht. empfohlen hatte. Auch die alte Tradition, über völkerrechtliche Fragen zu informieren, wird fortgeführt. Am 7. 1. gab es – zwar aus aktuellem Anlass, aber doch ganz abstrakt gehalten – gleich zwei Artikel zum Kriegsvölkerrecht [2]Thomas Speckmann, Sie mögen uns Rebellen nennen, und Reinhard Müller, Totaler Krieg verboten.. Früher war es vor allem Gerd Roellecke, der rechtsphilosophische Themen behandelte. Ihn hat mehr und mehr Michael Pawlik abgelöst. [3]Pawlik listet auf seiner Webseite 110 Rezensionen rechtsphilosophischer Bücher für die FAZ (seit 1991). Die Startseite seiner Internetpräsenz ziert Pawlik mit dem Titelkupfer des Leviathan. Ganze Debatten zwischen Richtern und Professoren werden in der FAZ ausgetragen. [4]An die Kontroverse zwischen Hirsch einerseits und Möllers und Rüthers andererseits knüpft Dieter Simon mit einem Vortrag an, den er am 3. 11. 2008 für den Berliner Arbeitskreis Rechtswirklichkeit … Continue reading
Es liegt beinahe in der Natur der Sache, dass eine anspruchsvolle Zeitung umfangreich über Themen berichtet, die im Fach unter »Law & Society« laufen. Miloš Vec sorgt dafür, dass Rechtssoziologie und Rechtsgeschichte gut vertreten sind. Der interdisziplinär orientierte Jurist findet in den Artikeln von Jürgen Kaube (der meine Skepsis gegenüber dem kulturwissenschaftlichen Staubsauger teilt) Information und Anregung. Über »Law and Economy« erfährt man, vor allem in den Buchbesprechungen des Wirtschaftsteils am Montag, allerhand. Am 5. 1. wurde Richard A. Posner von Patrick Bahners als »Sozialdarwinist auf der Richterbank« vorgestellt, und am 6. 1. erfuhr man aus der Feder von Hendrik Wieduwilt, dass sich die Rechtswissenschaft der Verhaltensforschung öffnet.
Für das Projekt »Recht anschaulich« verfolge ich am Rande auch, wie die Presse juristische Themen illustriert. Daraus war für die Münchener Rechtsvisualisierungstagung ein Diskussionsbeitrag über die »Ästhetisierung der Sachinformation« entstanden. Für das Blog ist er zu lang. Deshalb steht er hier zum Download zur Verfügung.
Hier folgt dazu noch ein Nachtrag: Am 5. 1. druckte die Zeitung in der Rubrik »Neue Sachbücher« unter dem Titel »Bloße Begriffsanalyse ist ausgereizt« eine Rezension von Michael Pawlik zu Brugger/Neumann/Kirste, Rechtsphilosophie im 21. Jahrhundert, 2008.
Die Rezension wird, für die Illustrationspraxis der FAZ eher ungewöhnlich, durch ein vermutlich billiges Agenturfoto angereichert, und zwar durch das Foto eines Doppelknotens aus dickem Tau, der auf einem hellen Bouclé-Teppichboden plaziert ist.
faz-knoten
Die Legende lautet: »Hält der Knoten, den die Rechtsphilosophie bindet?« Die Knotenmetapher könnte eigentlich ganz gut zu dem rechtsphilosophischen Thema passen. In der Interpretation durch die Legende beißt sie sich aber mit der Überschrift.
Die Illustration bleibt mit ihrer Qualität hinter dem sonst in der FAZ anzutreffenden Niveau zurück. Das Bild macht den Eindruck eines Amateurfotos. Als Bildquelle wird »BilderBox.com« angegeben. Dabei handelt es sich um eine Agentur aus Österreich. Die Bildagentur nennt zu dem Bild folgende Stichworte:

assisted suicide, aufhaengen, aufhängen, death penalty, Dinge, Example, hang, hangman, Henker, Henkerknoten, henkerschlinge, Henkerseil, Illustration, knod, Mord, murder, rope, Selbstmord, Strick, Suizid, Symbol, symbol image, symbol-image, symbol-photo, Symbolaufnahme, Symbolaufnahmen, Symbolbild, Symbolbilder, Symbole, Symbolen, Symbolfotos, symbolically, symbolisch, Symbolischen, symbolphoto, symbols, thread, Todesstrafe

So also werden Bilder verschlagwortet. Die Webseite fordert damit zu einer rechtsoziologischen Inhaltsanalyse heraus. Hier kann man sehen, welche Bilder und welche Wortwolken juristische Laien mit Rechtsbegriffen verbinden. Das Suchwort »Gericht« zeigt unter den 573 Treffern zuerst »Junge Frau mit Salat« an. Davon darf man sich nicht irritieren lassen. Aber bemerkenswert ist es doch, wenn die ersten zehn von insgesamt 27 Bildern, die auf das Suchwort »Richter« antworten, amerikanische Symbole nutzen, und zwar die ersten eine gavel über Euroscheinen (Legende: Eurogeldscheine und Richter-/ Auktionshammer) und die folgenden sieben eine grüne Spritze in Variationen mit oder ohne Union Jack (Legende: Giftspritze – lethal injection).

Anmerkungen

Anmerkungen
1 Mit Juratexter.de, wo besseres Deutsch für Juristen propagiert wurde. Die Seite wird nicht mehr gepflegt. Wieduwilt bloggt jetzt mit RechtReal über virtuelle Welten und Recht.
2 Thomas Speckmann, Sie mögen uns Rebellen nennen, und Reinhard Müller, Totaler Krieg verboten.
3 Pawlik listet auf seiner Webseite 110 Rezensionen rechtsphilosophischer Bücher für die FAZ (seit 1991). Die Startseite seiner Internetpräsenz ziert Pawlik mit dem Titelkupfer des Leviathan.
4 An die Kontroverse zwischen Hirsch einerseits und Möllers und Rüthers andererseits knüpft Dieter Simon mit einem Vortrag an, den er am 3. 11. 2008 für den Berliner Arbeitskreis Rechtswirklichkeit gehalten hat (Vom Rechtsstaat in den Richterstaat?, verfügbar auf der Webseite des BAR. Simon flüchtet sich, wie es heute üblich ist, in Paradoxievorstellungen, und plädiert am Ende für bessere Bezahlung, Fortbildung und mehr Respekt für die Richter.

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